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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Begegnungen gehabt? Wir wurden vor den Beni Khalid gewarnt, welche sich auf einem Kriegszuge gegen die Beni Lam in der Gegend des Bir Hilu herumtreiben sollen.“
    Jetzt hätten wir die beste Gelegenheit gehabt, uns dadurch an den Beni Khalid zu rächen, daß wir die Beni Lam auf sie hetzten. Eine schnelle Bewegung Halefs sagte mir, daß er auch wirklich in diesem Sinne an meiner Stelle antworten wolle; ich kam ihm aber zuvor:
    „Wir sind Hadschahdsch, gradso wie ihr, und bekümmern uns nicht um die Streitigkeiten fremder Leute.“
    „Aber Auskunft könnt ihr uns doch geben, ob ihr eine Spur der Beni Khalid oder gar sie selbst gesehen habt!“
    „Nein, denn ihr seid Beni Lam und keine Scherarat! Wir Haddedihn lassen uns nicht täuschen, und es fällt uns nicht ein, die Schuld am Blut anderer auf uns zuladen!“
    Da wollte er heftig werden, besann sich aber eines anderen und war still. Nach kurzer Zeit stiegen sie auf, grüßten ganz kurz und ritten fort, und zwar in westlicher Richtung, während der Weg nach der Aïn Bahrid sie doch nach Süden geführt hätte. Sie hielten es also für überflüssig, noch einen Versuch zu machen, unsere Ansicht über sie zu ändern.
    „Warum sagtest du ihnen die Wahrheit über die Beni Khalid nicht?“ fragte mich der Hadschi, als sie fort waren.
    „Habe ich ihnen die Unwahrheit gesagt?“
    „Nein. Du hast nichts als nur geschwiegen. Aber wie schön hätten wir uns der Rache Tawil Ben Schahids entziehen können, wenn wir ihnen die Beni Lam nachgeschickt hätten, von denen ich jetzt überzeugt bin, daß sie da im Westen von uns irgendwo stecken!“
    „Wir hätten dadurch einen blutigen Zusammenstoß zwischen ihnen verursacht!“
    „Der aber doch auch ohne uns ganz sicher geschehen wird!“
    „Da sind wir ohne Schuld; meine Mitteilung aber wäre eine so direkte Ursache gewesen, daß ich mir später die bittersten Vorwürfe gemacht hätte. Denke doch an El Mizan, lieber Halef, an El Mizan!“
    „Ja, ja, an die Waage der Gerechtigkeit! Du hast recht, Effendi! Es wird Liebe von uns verlangt, immer nur Liebe; hättest du aber die Frage dieses Kundschafters beantwortet, so würde es uns dereinst als Haß, als Rache angerechnet werden, und diese schwere Last wollen wir ja nicht auf unsere Seelen laden. Ich fürchte mich in meinem Leben zum allererstenmal, und zwar vor dieser fürchterlichen Waage, welche nichts verschweigt, sondern alles Verborgene an das helle Licht des Tages zieht!“
    Wollte doch jedermann die Augen stets immer zu der Beobachtung offenhalten, daß das Gute die Belohnung und das Böse die Bestrafung ohne alles Zutun des Menschen schon in sich trägt! Leider üben die meisten Menschen diese Aufmerksamkeit fast nie, und nur in ganz in die Augen springenden Fällen läßt man sich zu einer Art von Erstaunen herbei, denkt einen kurzen Moment darüber nach und hält dann die Sache mit dem geistreichen Endurteil ‚Sonderbarer Zufall!‘ für abgetan! Und doch gibt es keinen Zufall! Wenigstens für den gläubigen Christen ist durch dieses Wort ein starker, dicker Strich gemacht. Der Erfinder desselben wußte von Gottes Weisheit und Gerechtigkeit nichts, und alle, die es nach ihm in den Mund nahmen, hatten, grad wie er, ihr Augenmerk zwar auf die irdische, nicht aber auf die himmlische Erkenntnis gerichtet. Man spricht so schön gelehrt vom Makrokosmos und vom Mikrokosmos; der erstere bedeutet die ganze Welt, der letztere ist der Mensch. Nun ist man wohl bereit, jene sogenannte ‚große Weltordnung‘ zu bewundern, nach welcher alles zum Makrokosmos Gehörige sich auf streng vorgeschriebener Gesetzesbahn bewegt und keine einzige der Welterscheinungen absolut für sich selbst bestehen kann, sondern sich in der innigsten Beziehung zum Ganzen befindet, weil sich das eine aus dem andern mit lückenloser Folgerichtigkeit entwickeln muß und bisher auch entwickelt hat. Das hat man wohl erkannt, und das gibt auch der Gottesleugner zu. Er gibt sogar auch zu, daß Gesetze von ähnlicher Unverbrüchlichkeit ebenso im Mikrokosmos, also im Menschen, walten, meint aber damit nur den für die Erde existierenden Menschen; der für den Himmel den ich hier ‚Seele‘ nennen will, existiert ja für ihn nicht. Und doch gibt es eine – bitte, ja nicht zu lächeln! – eine Seelenweltordnung, welche wenigstens ebenso große Bewunderung verdient wie jene angestaunte Ordnung der makrokosmischen Welt!
    Wie das Leben der Einzelseele eine gottgewollte Entwicklung eng zusammenhängender

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