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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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erstens besaßen wir ja Erfahrung genug, zweitens war der Ben Harb ein wirklich guter Führer, und drittens folgten wir den Spuren der Mekkaner, welche durch die Wahl ihres Weges bewiesen, daß sie diese Gegend ausgezeichnet kannten und ganz gewiß schon öfters durch sie geritten waren. Wenigstens galt dies von demjenigen von ihnen, welcher die Richtung zu bestimmen hatte. Wie wir später erfuhren, war das El Ghani selbst.
    Diese Wüste war nicht ganz unbelebt. Es gab zuweilen einen einsamen, manneshohen Strauch, eine Eidechse und Spuren von kleinen Füchsen. Auch die Fährte eines Panthers entdeckten wir, doch gehörte er zur kleinen, weniger seltenen Art.
    El Münedschi verhielt sich vollständig still; er bewegte sich kaum einmal und schien in einem immerwährenden Halbschlummer zu liegen. Wir hatten keine Ursache, ihn zu stören.
    Es war noch nicht Mittag, als wir, indem wir uns auf einem der beschriebenen Hügelrücken befanden, im Zurückblicken bemerkten, daß es außer uns auch noch andere Menschen in dieser Gegend gab. Wir sahen auf einem der links seitwärts hinter uns liegenden Hügel eine Schar von Kamelreitern erscheinen, welche sehr gut beritten sein mußten und große Eile verrieten. Ich zählte zweiundzwanzig Mann. Wir ritten unsern Schritt weiter. Sie kamen uns näher, und da sahen wir, daß zwanzig Mann von ihnen Uniformen trugen; sie waren also Soldaten. Türkische Soldaten hier in der arabischen Wüste! Das mußte einen ganz außerordentlichen Grund haben. Der arabische Beduine weist die Botmäßigkeit des großherrlichen Militärs mit aller Energie von sich ab. Auch uns ging die Sache jedenfalls nichts an, und so setzten wir also unsern Ritt ruhig fort.
    Nach einiger Zeit holten sie uns ein. Die zwei Nichtmilitärs ritten voran; der eine von ihnen sprach uns an. Er war ein Perser; das sah ich ihm mit dem ersten Blick an. Seine Kleidung bestand ganz aus Seide, und seine Waffen waren ausgesucht schön und von hohem Wert. Gradezu einzig aber war das Hedschihn, welches ihn trug. Ein so fehlerlos gebautes, wunderbar gezeichnetes Reitkamel hatte ich noch nicht gesehen. Es war hellgrau gefärbt und fein fliegenschimmelartig dunkelbläulich getüpfelt, eine nicht älter als fünfjährige Stute mit leucotisch hellroten Augen. Und sonderbar, diese Augen schienen von dem hellen Tageslicht nicht im geringsten angegriffen zu werden, und ihr Blick war so treu, so intelligent, wie ich es noch bei keinem einzigen Kamel gesehen hatte. Die Füße waren außerordentlich klein und die Formen, ich möchte fast sagen, weiblich voll und rund. Bei einem Kamel kann natürlich von Schönheit nicht die Rede sein; hier aber möchte ich doch eine Ausnahme machen und behaupten, daß dieses schön gewesen sei. Ich gestehe, daß ich ganz entzückt über dieses Tier war.
    Einen ebenso guten Eindruck machte der Reiter auf mich, doch nicht etwa seiner reichen Kleidung und Bewaffnung wegen, denn solche Äußerlichkeiten können mir niemals imponieren. Aber er saß im hohen Sattel aufrecht und stolz wie ein König, welcher gewohnt ist, zu gebieten und sofortigen Gehorsam zu finden. Und dieser Stolz war kein gemachter, sondern ein natürlicher; er kam von innen heraus. Auch war es kein dummer, hohler, kein mit Verachtung gepaarter Stolz, denn sein von einem dunkeln, wohlgepflegten Bart umrahmtes Gesicht trug die Kennzeichen geistiger Tätigkeit, und seine Augen hatten einen mildfreundlichen Blick, der aber erraten ließ, daß ihm das Feuer der Energie oder des Zornes auch nicht fremd sei. Alles in allem machte dieser Mann den Eindruck wirklicher Vornehmheit. Die Soldaten hatten respektvoll einen Zwischenraum zwischen ihm gelassen, und der andere Zivilist, wenn ich dieses Wort hier gebrauchen darf, welcher wohl der Khabir, der Führer der Truppe war, hielt sich jetzt auch seitwärts hinter ihm, ein unwillkürlich gegebenes Zugeständnis, daß dieser Mann der Herr sei und jetzt allein zu sprechen habe.
    „Assälam 'aleikum!“ grüßte er mit persischem Anklänge in höflichem Tone, indem er seinen Blick forschend über uns gleiten und dann in bewunderndem Ausdrucke auf unsern Pferden haften ließ.
    „Vä 'aleikum ässälam!“ antwortete ich ebenso höflich und in demselben persischen Dialekt.
    Halef hatte schon den Mund geöffnet, um zu sprechen; ich war ihm aber zuvorgekommen, denn seine vorschnelle Art und Weise war einem solchen Mann gegenüber nicht gut angebracht. Über die Züge des letzteren ging bei meiner Antwort ein

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