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19 - Am Jenseits

19 - Am Jenseits

Titel: 19 - Am Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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langsam über mich gleiten. Kein Zug seines Gesichtes sagte mir, ob er hinter unser Geheimnis gekommen sei oder nicht; aber er sprach von jetzt an nicht mehr zu Halef, sondern ausschließlich nur zu mir:
    „Erlaube, daß ich dich nach dem Wege frage, den ihr bis hierher geritten seid! Den Grund, welcher mich diese Bitte aussprechen läßt, werde ich dir nachher gleich mitteilen.“
    „Wir kommen aus der oberen Dschesireh“, antwortete ich, „und sind südwärts von Hit über den Euphrat gegangen.“
    „Habt ihr den Nedschef-See berührt?“
    „Nein.“
    „Also auch nicht den Karawanenweg, welcher von Hilleh und Meschhed Ali nach Mekka führt?“
    „Nein. Der hat stets weit links von unserem Pfade gelegen.“
    „Wie schade!“
    „Warum schade?“
    „Wäret ihr diesen Weg geritten, so könntet ihr mir wahrscheinlich Auskunft über eine kleine Karawane geben, nach welcher wir suchen.“
    „Suchen? Ihr sucht? Sonderbar!“
    „Sonderbar? Warum nennst du unser Suchen so?“
    „Weil du nach ihr suchst und mir doch sagst, wo sie zu finden ist, nämlich auf dem Wege von Meschhed Ali nach Mekka.“
    „So will ich dir mitteilen, daß diese Karawane allen Grund hat, sich vor uns zu verstecken.“
    „Wenn sie sich vor euch verbergen muß, hat sie auch alle Ursache, sich von andern, die sie an euch verraten könnten, nicht sehen zu lassen.“
    Er nickte leise vor sich hin, ließ ein befriedigtes Lächeln um seine Lippen spielen, als ob bei ihm ein heimlicher Gedanke Bestätigung gefunden habe, und fuhr dann weiter fort:
    „Ich sehe jetzt, daß du wirklich ein außerordentlich kluger Effendi aus dem Maghreb bist, denn du hast in einigen Augenblicken und in ganz wenigen Worten mehr durchdacht und mehr gesagt, als ein anderer Mann nach tagelangem Nachdenken erforschen würde und in einer stundenlangen Rede ausdrücken könnte. Ich errate darum deine Gedanken und weiß also, daß du dich wunderst, uns hier an dieser Stelle zu sehen.“
    „Du irrst. Ein anderer würde sich wundern, daß ihr hier seid, während du doch selbst sagst, daß die von euch Gesuchten den weit von hier liegenden Karawanenweg eingeschlagen haben. Ich aber schließe aus eurem Hiersein darauf, daß diese Leute von dem Karawanenweg abgewichen sind. Ihr werdet, denke ich, die Spuren dieses Abweichens gefunden haben.“
    „Effendi, du bist noch scharfsinniger, als ich dachte! Ja, du hast recht. Wir haben entdeckt, daß sie von dem Meschhed-Ali-Weg nach Westen abgewichen sind.“
    „Wußten sie sich verfolgt?“
    „Nein. Aber sie mußten sich allerdings sagen, daß man ihnen sofort nachjagen werde, falls ihre Tat zur Entdeckung käme.“
    „Darf ich fragen, was für eine Tat es ist?“
    „Dir sage ich es. Man hat das Heiligtum von Meschhed Ali bestohlen. Kannst du das glauben?“
    „Warum nicht? Ich kenne Menschen, welche noch viel Schlimmeres getan haben.“
    „Etwas Schlimmeres gibt es nicht! Wer das Heiligtum bestiehlt, der bestiehlt Allah!“
    „Ein Faulenzer, ein Tagedieb bestiehlt Allah auch, denn die Tage des Lebens gehören nicht ihm, sondern Gott, und ein Lebenstag ist wenigstens ebenso wichtig wie irgend ein Gegenstand in den heiligen Mauern von Meschhed Ali oder Kerbela.“
    „Ich kann darüber nicht mit dir streiten, denn als ein Mann aus Fran – – –“, er hielt einen Augenblick inne und verbesserte sich dann, indem er fortfuhr, „als ein Mann aus dem fernen Maghreb mußt du anderer Meinung sein als ich. Wir entdeckten vier Tage, nachdem die Diebe fort waren, den Raub, und ich als Hüter und Bewahrer der Schätze des Heiligtumes bin ihnen ohne Verweilen nach, um sie zu ergreifen und zu bestrafen.“
    ‚Fran – – –‘ hatte er gesagt; sollte das Frankistan, das Land der Franken, der Christen heißen? Wenn dies der Fall war, so hatte Halefs Unvorsichtigkeit es allerdings verraten, daß ich Kara Ben Nemsi, nicht aber ein Mann aus dem Wadi Draha war. Nun kam es darauf an, klug zu sein und die Folgen dieser Entdeckung zu verhüten.
    „Wußtest du gleich, welchen Weg die Diebe eingeschlagen hatten?“ fragte ich.
    „Ja. Sie waren Mekkaner, also konnte ich über ihren Weg nicht im Zweifel sein.“
    „Es war aber auch möglich, daß sie zunächst eine andere Richtung einschlugen, um euch irre zu führen“, warf ich ein.
    „Ich war so vorsichtig, mir dies auch zu sagen, und traf demnach meine Vorkehrungen. Ich sandte Abteilungen auf die Wege, welche nach Kerbela und Hit, nach Hilleh und Bagdad, nach Semawat und

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