19 - Am Jenseits
rundum liegend Gruppen. Sie unterhielten sich sehr eifrig, doch nicht so laut, daß wir etwas verstehen konnten. Die Mekkaner endlich saßen abgesondert an der Brunnenmauer beisammen, ganz nahe bei uns. Sie hörten jedes Wort, welches wir sprachen. Hierauf gar keine Rücksicht nehmend, beantwortete ich die Frage des Persers:
„Ja, es ist wahr. Wir haben die drei Betreffenden schon bestimmt.“
„Wer sind sie?“ erkundigte er sich weiter.
„Scheik Hadschi Halef Omar, Kara, sein Sohn hier, und Omar Ben Sadek, einer unserer Krieger.“
„Wie und mit welchen Waffen soll der Kampf stattfinden?“
„Das ist wohl erst noch zu bestimmen.“
„Auf Tod und Leben?“
„Ja.“
„Allah! So bin ich schuld, daß diese drei ihr Leben für mich wagen müssen, und kann doch nichts dafür! Denke dir, diese diebischen Hunde haben ihren Raub unterwegs in der Wüste versteckt! Selbst wenn ihr siegt und meine Asaker wieder frei werden, haben wir den weiten Ritt umsonst gemacht und bekommen die gestohlenen Gegenstände nicht wieder!“
„Darüber hast du zu schweigen!“ gebot ihm der Scheik der Beni Khalid. „Die, welche du beschuldigst, hören deine beleidigenden Worte; das darf ich nicht dulden, denn sie sind meine Freunde und Gäste. Wenn du in dieser Weise weitersprichst, nehme ich mein Wort zurück und lasse dir die Adern wieder öffnen.“
Vielleicht war es zu kühn von mir, aber ich durfte um unsertwillen ihn nicht in dem Glauben lassen, daß er hier der alleinige Gebieter sei, und erwiderte ihm darum in zwar ruhigem aber doch sehr bestimmten Tone:
„Gestatte mir, o Scheik, daß ich da anderer Meinung bin! Habe ich auf eines der Rechte, welche ich besitze, hier zu verzichten?“
„Nein“, antwortete er.
„Gut! Wenn die Mekkaner deine Freunde sind, so ist er der meinige. Er wurde gegen dich ausgetauscht und ist also ein ebenso freier Mann wie du. Ein freier Mann aber darf auch frei sprechen, und wenn er damit jemanden beleidigt, so mag dieser jemand sich dagegen wehren; einem andern aber geben wir die Erlaubnis nicht dazu!“
„Ob ihr es mir erlaubt oder nicht, das ist mir gleich“, entgegnete er stolz. „Hier an diesem Brunnen bin ich der Herr, und wenn meine Gäste beleidigt werden, so bin auch ich beleidigt und werde das bestrafen. Ich wiederhole, daß ich diesen Schiiten wieder fesseln lasse, wenn er nochmals ähnliche Worte sagt!“
„So tue ich mit dir dasselbe!“
„Was?“
„Ich nehme auch dich wieder fest.“
„Maschallah! Wie wolltest du das anfangen?“
„Das laß getrost meine Sache sein! Ich weiß ganz genau, wie man sich in einer solchen Angelegenheit zu verhalten hat. Kennst du vielleicht diese Art von Waffen?“
Ich zog meine beiden Revolver aus dem Gürtel und zeigte sie ihm.
„Allah!“ rief er aus. „Das sind Pistolen mit vielen, schnellen Schüssen, wie die Franken haben! Wie bist du zu solchen Waffen gekommen?“
„Du hast gehört, daß ich aus dem Maghreb bin. Dort besitzen nicht nur die Christen, sondern auch die Moslemin dergleichen Pistolen und verstehen, sehr gut mit ihnen umzugehen. Sobald du die Bestimmung träfest, hier meinen persischen Freund wieder festzunehmen, würde ich meinen Haddedihn befehlen, dich wieder zu ergreifen, und wenn du dich dagegen wehrtest führe dir sofort die erste Kugel aus einem dieser vielschüssigen Läufe durch den Kopf!“
„Du scherzest!“ versuchte er zu lächeln.
„Es ist mein Ernst; darauf gebe ich dir mein Wort, und ich halte mein Wort ganz ebenso wie du das deinige!“
Er sah mir lange und starr in das Gesicht. Als ich diesen Blick aushielt und erwiderte, zürnte er:
„Fast bereue ich es, dir mein Wort gegeben zu haben!“
„Sorge lieber dafür, daß ich es nicht bereue, diesem Wort mein Vertrauen geschenkt zu haben!“
„Du drückst dich sehr gebieterisch aus, Effendi!“
„Dazu bin ich auch berechtigt! Du meintest vorhin zwar, daß du Herr hier am Brunnen seist; mag sein, aber du bist es nicht allein; es sind noch andere Herren da.“
„Wer?“
„Zum Beispiel ich! Der Bir Hilu gehört weder dir noch mir; wir haben also beide gleiche Rechte.“
„Ich war eher hier als du!“
„So warst du eher Herr, und ich bin es später geworden; das ändert aber an der Gleichheit unserer Rechte nichts. Ich gebe dir übrigens den Rat, nicht so oft und nachdrücklich zu erwähnen, daß diese Mekkaner deine Freunde seien! Wenn ich hier den Basch Nazyr als meinen Freund bezeichne, so wage ich nichts, denn er ist ein
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