1909 - Der Bebenforscher
keiner sprach ein weiteres Wort.
Wie lange es dauerte, konnte Eismer nicht sagen. Nach einer unbekannten Anzahl von Tagen und Nächten wurde er aus dem Schlaf gerissen. Ein Prolongide hob ihn hoch, so daß er sich nicht bewegen konnte, und trug ihn hinaus auf den Korridor. „Was soll das?" wagte Eismer Störmengord zu fragen.
Der Riese antwortete mit einem bösen, grollenden Laut, der soviel bedeuten sollte wie: „Halt den Mund!"
Also schwieg der Goldner. Zum ersten Mal ärgerte er sich, ein Zwerg in einer von großgewachsenen Wesen dominierten Welt zu sein. Selbst wenn er es gewollt hätte, gegen das fleischgewordene Ungetüm konnte er sich nicht wehren.
Durch spärlich beleuchtete Gänge und Antigravschächte transportierte der Riese ihn nach unten.
Die Reise endete an einem geöffneten Schleusenschott. Eismer erblickte Tageslicht, blauen Himmel mit grellem Sonnenschein. Es sah aus, als befinde sich das Piratenschiff auf einem Planeten. „So", erklärte der Prolongide. „Dein Weg mit uns ist zu Ende."
Eismer wurde auf die Beine gestellt. Er schaute fragend zu dem Prolongiden auf, dessen Gesicht sich in mehr oder weniger unerreichbarer Höhe befand. „Geh da raus, Kleiner! Wir können keine Seele töten, die Prolongidisch spricht.
Verschwinde schnell, bevor ..."Den Rest ließ er offen.
Eismer Störmengord trat an die Schleuse.
Er blickte mißtrauisch nach draußen. Der Boden lag gut fünf Meter unter ihm, und er konnte keine Leiter entdecken.
Am Rand eines riesigen Raumhafens erstreckte sich eine Stadt. Unter einer Glocke aus Dunst bewegten sich Gleitfahrzeuge, es mußten viele tausend sein. Er wußte nicht, um welchen Planeten es sich handelte. „Wie soll ich denn nach draußen kommen?" fragte er.
Ein derber Stoß traf ihn von hinten in den Rücken. Eismer stieß einen Schrei aus. Er konnte sich nicht mehr halten, stürzte, dabei überschlug sich in der Luft.
Durch reinen Zufall kam er mit den Beinen zuerst auf. Trotzdem war es ein fürchterlicher Stoß.
Im ersten Moment dachte er, sämtliche Knorpel in seinem Körper müßten gerissen sein. Aber Goldner besaßen eine zähe Konstitution. Der Schmerz ließ nach wenigen Sekunden so weit nach, daß er glaubte, den Sturz einigermaßen heil überstanden zu haben. Bis auf ein paar Prellungen war nicht viel passiert; seine Hände bluteten, außerdem hatte er vor Schreck ein paar Exkremente verloren.
Hauptsache, dachte er, der Mantel seines Vaters war heil. Er drehte sich um und starrte nach oben. in der offenen Luke winkte der Prolongide, der ihn aus dem Schiff geworfen hatte.
Eismer war nicht ganz sicher, ob er über ihn lachte.
Für einen zweieinhalb Meter großen Riesen waren fünf Meter Höhenunterschied nicht sehr viel. Für einen Goldner von gerade mal einem Meter zwanzig war es ein tiefer Fall.
Die Luke schloß sich. Im selben Moment hob die Walze lautlos vom Boden ab, mit aufgehobener Schwerkraft. Es war ein majestätischer Anblick, das 200-Meter-Schiff wie einen Ballon aufsteigen zu sehen.
Ein Blitz wurde sichtbar, vom Zünden der Impulstriebwerke, dann ein gewitterhaftes Grollen aus großer Höhe. Nach wenigen Minuten war der Piratenraumer im Himmelsblau des Planeten verschwunden.
Eismer rappelte sich auf und kam auf die Beine. Er war wieder allein.
Es gab nicht viele Leute, die von sich behaupten konnten, einen Fall von Raumpiraterie überlebt zu haben. Nun gehörte er dazu. Was bedeutete da der Weg nach Zophengorn? Auch wenn ihn jede Muskelfaser schmerzte, niemand konnte ihn mehr stoppen.
In der herrschenden, relativ geringen Schwerkraft fielen ihm die Schritte anfangs leicht. Mit der Atmosphäre kam er klar, besser als mit dem stinkenden Muff in dem Piratenraumer.
Eismer suchte ein Ziel aus und machte sich auf den Weg.
Die Euphorie entpuppte sich jedoch bald als sehr kurzzeitig. Je näher er den Hafengebäuden kam, desto weniger überschaubar schien ihm das Gewimmel.
Einige tausend Roboter, zahllose Containerschweber, dazu all die humanoiden und nichthumanoiden Lebensformen - er fühlte sich hilflos und besaß keine Orientierung.
Mehrfach versuchte er, Kontakt herzustellen. Aber niemand sprach mit ihm. Wie es aussah, war er auf einer Welt der Hektik gelandet. Die automatischen Türen ließen ihn nicht passieren, weil er nicht über die notwendige Legitimation verfügte.
Alle anderen Auswege waren von hohen Zäunen versperrt, und seine Molekularzange trieb mit den Überresten der COMURA XII im Weltall. „Verflucht!" brüllte
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