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1968 - Ketzer der Tazolen

Titel: 1968 - Ketzer der Tazolen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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der mächtigen Mauer. Und er hatte sein Wissen dazu benutzt, die Männer gegen die Frauen aufzuwiegeln und ihnen weiszumachen, dass den Männern die absolute Weltherrschaft zustand.
    Nun hatte sich sein Heer auf den Marsch begeben. Die Überwindung der Mauer hatte sehr lange gedauert, doch sie waren nicht mehr aufzuhalten.
    Ohne einen charismatischen Anführer wie Herowott hätten sie längst die Geduld verloren und aufgegeben .doch er spornte sie weiter an. Er war geradezu fanatisch beseelt von dem Gedanken, dass die Götter ihm den heiligen Auftrag gegeben hatten, die wahre Ordnung in der Welt herzustellen.
    „Ein Bote von Herowott, Hoheit", meldete eine Novizin hinter ihr. Soe ra Lor drehte sich um. „Ich lasse bitten", sagte sie. Unwillkürlich fuhren ihre Hände an den Kopf. Sie trug auf dem kahlen Haupt eine Perücke aus Tierhaar, wie es ihre Hofdamen zur Mode gemacht hatten. Von den Männern wurde Soe ra Lor deshalb manchmal „das Tier" genannt, was keineswegs immer abfällig gemeint war. Ihre Finger zupften kurz ordnend an den Haaren dann nahm sie eine würdevolle Haltung ein.
    Der Bote betrat den Balkon und vollzog mit der linken Hand eine ehrerbietige Geste. Dies mochte vielleicht nur Höflichkeit sein, aber trotz aller Auseinandersetzungen war Soe ra Lor eine hochgeachtete Frau, selbst bei Herowott. Sie war klug und umsichtig und ging bei Rededuellen stets als Sieger hervor. Hinzu kamen ihre majestätische Ausstrahlung und ihr Alter. Mit 90 Jahren war sie die älteste lebende Frau der Welt; dieses Alter hatte noch nie eine Tazolin erreicht. Dabei war sie keineswegs gebrechlich oder auf dem Weg zur Senilität, ganz im Gegenteil. Ihre dunklen Augen funkelten hellwach und scharf, ihre Haut war glatt und glänzend. „Herowott schickt mich", begann der Bote, „er hat die Mauer überwunden und ist auf dem Weg hierher."
    „Das ist mir längst bekannt", gab Soe ra Lor kühl zurück. „Dafür hätte er nicht dich zu schicken brauchen."
    „Er möchte einen Vorschlag zum Frieden überbringen."
    „Wenn einer den Frieden bricht, dann er. Mir liegt es fern, meine Männer in den Kampf zu führen, damit ein Tazole den anderen erschlägt. Herowott sollte sich gut überlegen, ob er die Last dieser Schuld, nämlich des Brudermordes, auf sich nehmen kann - für den Rest seines langen Lebens."
    Herowott war zwanzig Jahre jünger als Soe ra Lor und hatte gute Aussichten, 200 oder sogar noch mehr Jahre alt zu werden. „Ein neues Zeitalter bricht an" sagte der Bote geflissentlich, „dem können sich die Frauen nicht entgegenstellen. Das Beharren auf starren Regeln der Vergangenheit führt zur Rückentwicklung. Den Tazolen ist es aber bestimmt, nach dem Willen der Götter noch viel weiter zu kommen."
    „Verschone mich mit einstudierten Floskeln, ,die du nicht verstehst", unterbrach die Hohepriesterin ungeduldig. „Was genau will Herowott von mir?"
    „Er hält eine Lösung für den Konflikt möglich, die beiden Seiten zum Vorteil gereicht", antwortete der Bote. „Kein Tropfen Blut müsste fließen."
    „Diese Worte bringen mich zum Lachen, Bote", spottete Soe ra Lor. „Herowott weiß genau, dass zwei Millionen Männer unter meinem Befehl stehen, während er nicht einmal auf fünfhunderttausend zählen kann. Er ist mir kläglich unterlegen, und ich könnte ihn vom Erdboden hinwegfegen, dass sein Name für künftige Generationen zum Fluch wird!"
    Der Bote begann zu transpirieren. Er fühlte sich der Frau deutlich unterlegen, da er nur geringe Bildung besaß. Trotzdem musste er seine Aufgabe erfüllen. „Das wäre dann eine Last, die du tragen müsstest, Ehrwürdige", sagte er vorsichtig. „Ist das in deinem Sinne?"
    „Natürlich nicht. Welche Lösung sieht Herowott vor?"
    „Die Zusammenlegung der beiden Reiche, Hoheit. Er zieht mit seinem Hofgefolge in deinen Palast ein, und ihr beide teilt die Regentschaft - als gleichberechtigte Partner. Er bittet dich um deine Hand, Ehrwürdige." Soe ra Lor verschlug es die Sprache.
    Der Bote fuhr schnell fort: „Dies ist kein ungebührlicher Vorschlag, Hoheit. In Herowotts Adern fließt das edelste Blut, und er besitzt eine hohe Bildung..."
    „Die er sich hinterhältig erschlichen hat!"
    „Aber die er nie zu deinem Nachteil einsetzen würde. Er wäre dir ein angenehmer Partner, denn du könntest alle Sorgen und Nöte, aber auch alle Freuden mit ihm teilen. Herowott ist wie du von friedlicher Gesinnung. Er sieht eine große Zukunft in einer gemeinsamen Regierung, die die

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