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1968 - Ketzer der Tazolen

Titel: 1968 - Ketzer der Tazolen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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folgen. Für diejenigen, die am Matriarchat festhalten wollten, konnte Soe ra Lor nicht mehr sorgen. Sie würden ihren Weg selbst finden müssen; das war der Preis der Freiheit.
    Doch wenn die Männer fort waren, konnte sie wenigstens in Ruhe die Flucht vorbereiten. Soe ra Lor hatte nicht vor abzuwarten, bis Herowott eintraf.
    Sie rief ihren gesamten Hofstaat und die Priesterschaft zusammen, um ihre Entscheidung mitzuteilen: „Wir werden den Palast freiwillig und kampflos aufgeben - aber nicht selbst übergeben", erklärte sie. „Das meiste befindet sich bereits in den heiligen Höhlen in den Bergen. Was noch fehlt, bitte ich euch jetzt zusammenzupacken. Dies ist meine letzte Anordnung an euch - mit mir in die Berge zu gehen und dafür zu sorgen, dass alle unsere Geheimnisse und die Geschichte unseres Volkes für die Nachwelt erhalten bleiben. Danach mögt ihr gehen, wohin ihr wollt."
    Sie wusste nicht, ob es Sinn ergab, ein solches Erbe zu hinterlassen. Andererseits brach vielleicht in Hunderten von Jahren wieder ein anderes Zeitalter an, das den Frauen die Herrschaft zurückgab. Keinesfalls sollten die Männer sich für immer in der Sicherheit wiegen, von Anbeginn die Herren der Welt gewesen zu sein. „Aber wir können doch nicht einfach so aufgeben", warf eine Novizin mit erstickter Stimme ein. In Soe ra Lors Augen lag Mitleid. „Es ist vorbei, Kind", sagte sie sanft. „Die Tage unserer Herrschaft sind vorüber. Wir können das Unausweichliche noch hinauszögern - aber wie lange und zu welchem Preis? Herowott ist uns in jeder Hinsicht überlegen. Er wird eine eigene Schule gründen, um Männer auszubilden. Sie sind stärker und viel mehr als wir. Deshalb werden wir jetzt weichen."
    „Wir werden uns nicht demütigen lassen", fuhr Vor ri Nas fort. „Die Männer werden ihren erbärmlichen Sieg auskosten wollen, doch keine von uns wird mehr hier sein. Überlassen wir ihnen die Welt, gönnen ihnen aber keinen Triumph. Herowott wird zornig darüber sein, dass Soe ra Lor seinen Antrag abgelehnt hat. Er wird uns dafür leiden lassen wollen, allesamt." Eine andere Priesterin stand auf. „Dann wollen wir keine Zeit mehr verschwenden, sondern so schnell wie möglich aufbrechen."
    „Aber was ist mit dem Elcoxol?" fragte eine Hofdame. Soe ra Lor winkte müde ab. „Sollen sie das Rezept haben", sagte sie abweisend. „Wenn wir es ihnen vorenthalten, tun wir damit unserem Volk nichts Gutes. Es wäre eine billige Rache, das Rezept zu vernichten. Keiner von uns hätte etwas davon, vielleicht würden wir sogar wieder in die Barbarei zurückfallen oder gar aussterben. Es soll in diesem Palast bleiben - aber versteckt es so gut, dass es Herowott nicht allzu leicht gemacht wird."
    Soe ra Lor verzog ihr Gesicht zur Andeutung eines Lächelns. „Legt ihm eine Grußbotschaft von mir bei, dass dies das letzte Geschenk der Frauen an die Männer ist, auch wenn sie das niemals wertschätzen werden. Schreibt, dass wir ihnen verzeihen für all das, was sie uns in den künftigen Jahrhunderten antun werden." Damit war für ihre Begriffe alles gesagt.
    Die wenigen Männer, die zurückgeblieben waren, wurden aus dem Palast geschickt. In aller Eile bereiteten die Frauen den Aufbruch vor. Jede von ihnen kannte die geheimen Wege in die Berge. Sie brachen nicht gesammelt auf, sondern jede für sich, sobald sie aufbruchbereit war. Während Herowotts Männer von Westen heranzogen und von Soe ra Lors Heer zumindest einige Zeit lang aufgehalten würden, flohen die weisen und hohen Frauen nach Norden in das Gebirge, zu ihren geheimen Plätzen. Ihr Vorsprung war ausreichend, und ihnen blieb noch genug Zeit, alle Spuren ihrer Anwesenheit zu verwischen.
    Einige Frauen erklärten sich bereit, das Erbe für die Nachkommen zu vervollständigen, Bilder und Schriften zu verbessern, alle Dinge zu ordnen und die Höhlen zu versiegeln. Die übrigen legten ihre reichen Gewänder und die Tierhaarperücken ab und vertauschten sie mit denen einfacher Landfrauen. Sie würden sich tarnen und ihr Leben unerkannt weiterfristen. Vielleicht konnten sie auf diese Weise vermeiden, dass die Frauen allzu schnell an Bedeutung und Wissen verloren; doch Soe ra Lor hegte keine große Hoffnung.
    Nur wenige Frauen waren noch da. Soe ra Lor hatte seit ihrem Eintreffen eifrig geschrieben, um ihr großes Lebenswerk, ihre Aufzeichnungen über die Geschichte des Volkes, zu beenden. Schließlich verfasste sie das letzte Blatt, die Begrüßung des Nachkommen, den sie zweifelsfrei als

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