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1974

1974

Titel: 1974 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Peace
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sie um und trat ihr die Füße unterm Leib weg.
    »Ob du kletterst oder fällst, ist mir scheißegal.«
    Sie setzte einen Fuß auf eine Sprosse, sah mich an und stieg hinunter.
    »Bis daß der Tod euch scheidet«, rief ich ihr nach.
    Ihre Augen strahlten mich von unten an.
    Ich machte kehrt, packte das dicke schwarze Seil und zog den Gullydeckel wieder über die Öffnung.
    Ich nahm einen Sack Zement und wuchtete ihn auf den Deckel, dann noch einen und noch einen und noch einen.
    Ich setzte mich auf die Säcke und spürte, wie meine Beine und Füße kalt wurden.
    Ich stand auf und nahm ein Vorhängeschloß mit Schlüssel von der Werkbank.
    Dann verließ ich den Schuppen. Ich zog die Tür zu und versperrte sie mit dem Schloß.
    Ich rannte den Hügel hinunter und warf den Schlüssel ins Feld.
    Die Haustür zur Nummer 16 stand noch immer offen, im Fernsehen lief Crown Court.
    Ich betrat das Haus und ging erst einmal aufs Klo.
    Ich schaltete den Fernseher aus.
    Ich setzte mich aufs Sofa und dachte an Paula.
    Dann durchsuchte ich die Zimmer und alle Schubladen.
    Im Schrank entdeckte ich eine Schrotflinte und Kisten mitPatronen. Ich packte alles in einen Müllsack und ging zum Auto. Ich legte Schrotflinte und Munition in den Kofferraum des Maxi.
    Ich kehrte zum Haus zurück, sah mich noch einmal um, verschloß die Tür und ging davon.
    An der Mauer blieb ich stehen und sah zu der schwarzen Reihe von Schuppen hinauf, es regnete mir ins Gesicht, ich war voller Schlamm.
    Ich stieg ins Auto und fuhr davon.
    4 LUV .
    Alles aus Liebe.
    Shangrila kauerte einsam unter dem müden grauen Himmel, Tropfen fielen von der Regenrinne.
    Ich hielt hinter einer weiteren schmutzigen Hecke auf einer weiteren leeren Straße und ging eine weitere traurige Zufahrt hinauf.
    Eisregen fiel vom Himmel, und wieder fragte ich mich, ob das den riesigen orangefarbenen Fischen im Teich egal war oder nicht; ich wußte, daß George Marsh litt und daß Don Foster ebenfalls gelitten haben mußte, aber ich wußte nicht, was ich davon halten sollte.
    Ich wollte eigentlich hinübergehen und mir diese großen bunten Fische anschauen, statt dessen ging ich weiter.
    Vor dem Haus standen keine Autos, nur zwei nasse Milchflaschen in einem Drahtkorb.
    Ich fühlte mich elend und verängstigt.
    Ich sah nach unten.
    Ich hielt eine Schrotflinte in den Armen.
    Ich klingelte und hörte, wie die Glocke durch Shangrila hallte, dachte an George Marshs blutigen Schwanz und Don Fosters blutige Knie.
    Niemand öffnete.
    Ich klingelte noch einmal und hämmerte dann mit dem Gewehrkolben gegen die Tür.
    Immer noch keine Antwort.
    Ich rüttelte an der Tür.
    Sie war offen.
    Ich ging hinein.
    »Hallo?«
    Das Haus war kalt und fast ganz still.
    Ich stand in der Eingangshalle und sagte wieder: »Hallo?«
    Ein leises zischendes Geräusch war zu hören, gefolgt von einem dumpfen Ticken.
    Ich ging nach links in ein großes weißes Wohnzimmer.
    Über einem kalten Kamin hing die Vergrößerung von einem Schwarzweißphoto. Ein Schwan, der von einem See abhebt.
    Der Schwan war nicht allein:
    Auf jedem Tisch, Regal, Fensterbrett hölzerne Schwäne, eiserne Schwäne, Schwäne aus Porzellan.
    Schwäne im Flug, schlafende Schwäne, zwei riesige, sich küssende Schwäne, deren Hälse und Schnäbel ein großes Herz formten.
    Zwei schwimmende Schwäne.
    Volltreffer.
    Ich starrte die Schwäne an und lauschte dem Zischen und Ticken.
    Im Raum war es eiskalt.
    Ich ging zu einer großen Holzkiste, wobei ich schlammige Fußspuren auf dem cremefarbenen Teppich hinterließ. Ich legte die Schrotflinte zur Seite, hob den Deckel der Kiste und nahm die Nadel von der Schallplatte. Mahler.
    Kindertotenlieder.
    Ich drehte mich plötzlich um, weil ich glaubte, einen Wagen näherkommen zu hören, und sah hinaus auf den Rasen.
    Es war nur der Wind.
    Ich ging zum Fenster, stand da und sah zur Hecke hinüber.
    Dort unten im Garten war etwas.
    Einen Augenblick lang glaubte ich, ein braunhaariges, barfüßiges Zigeunermädchen mit Zweigen im Haar unter der Hecke sitzen zu sehen.
    Ich schloß die Augen, öffnete sie wieder, das Mädchen war verschwunden.
    Ich konnte ein leises Trommeln hören.
    Ich trat wieder auf den weichen Teppich und stieß dabei gegen ein Glas, das in einer Pfütze lag. Ich hob es auf und stellte es neben eine Zeitung.
    Es war die heutige Ausgabe meiner Zeitung.
    Zwei riesige Schlagzeilen, zwei Tage vor Weihnachten:
    Schwester des Rugbystars ermordet.
    Stadtrat tritt zurück.
    Zwei Gesichter, zwei

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