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1976 - Das Jesus-Papier

1976 - Das Jesus-Papier

Titel: 1976 - Das Jesus-Papier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Ludlum
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schloß die Augen und genoß es, wie das hämmernde Vibrieren und der pfeifende Wind seine Gedanken betäubten - und seine Ängste.
    Als er die Augen aufschlug - ganz kurz -, sah er, wie sein Bruder sich aus dem Fenster hinauslehnte, die kräftige rechte Hand am Fahrthebel, den Blick starr auf die Gleise vor ihnen gerichtet.
    Anaxas der Starke nannten ihn alle. Aber Anaxas war mehr als nur stark; er war gut. Als ihr Vater starb, war es Anaxas, der in die Docks gegangen war - ein hünenhafter Junge von dreizehn Jahren - und die langen, harten Schichten gearbeitet hatte, die ausgewachsene Männer in die Erschöpfung trieben. Das Geld, das Anaxas nach Hause brachte, hielt sie alle zusammen, ermöglichte es seinen Brüdern und Schwestern, sich eine geeignete Schule auszuwählen, und ein Bruder erhielt noch mehr. Nicht um der Familie, sondern um des größeren Ruhmes Gottes willen.
    Der Herrgott erprobte die Menschen. Und Er erprobte sie jetzt.
    Petride beugte den Kopf, und die Worte brannten sich in sein Gehirn ein und kamen in einem Flüstern aus seinem Mund, das keiner hören konnte.
    Ich glaube an den einen Gott, den Allmächtigen Vater, Schöpfer aller Dinge, seien sie sichtbar oder unsichtbar, und an einen Herrn, Jesus Christus, Lehrer, Sohn Gottes, einziges Kind des Vaters. Gott Gottes, Licht des Lichtes, erzeugt, nicht geschaffen... !
    Sie erreichten die Ausläufer von Edhessa. Unsichtbare, unbefugte Hände legten eine Weiche um, und der Güterzug von Saloniki polterte in die nördliche Finsternis. Die jugoslawische Grenzpolizei in Bitola war ebenso stark an griechischen Nachrichten wie an griechischer Bestechung interessiert. Der Konflikt im Norden griff schnell um sich, die Heere Hitlers waren Armeen von Wahnsinnigen. Und als nächstes würde der Balkan fallen, jeder sagte das. Und die Italiener, auf die sich nie jemand verlassen konnte, erfüllten die Piazzas und hörten dem Kriegsgeschrei zu, das der wahnsinnige Mussolini und seine geckenhaften Fascisti verbreiteten. Überall sprach man von Invasion.
    Die Slawen nahmen einige Kisten mit Obst an - das Obst von Xenope war das beste in ganz Griechenland - und wünschten Anaxas mehr Glück, als sie glaubten, daß er haben würde, besonders, da sein Reiseziel im Norden lag.
    In der zweiten Nacht jagte der Zug nach Norden, bis Mitrovica erreicht war. Der Xenope-Orden hatte gute Arbeit geleistet: Ein Schienenstrang, auf dem kein Zug eingeteilt war, wurde freigegeben, und der Güterzug von Saloniki rollte nach Osten weiter nach Sarajevo, wo ein Mann aus den Schatten hervortrat und mit Petride sprach.
    »In zwölf Minuten wird die Weiche umgestellt. Sie fahren dann nach Norden, nach Banja Luka. Tagsüber bleiben Sie auf dem Güterbahnhof. Er ist sehr überfüllt. Bei Einbruch der Nacht wird man mit Ihnen Verbindung aufnehmen.«
    Auf dem überfüllten Güterbahnhof von Banja Luka kam Punkt Viertel nach sechs Uhr abends ein Mann, der mit einem Overall bekleidet war, auf sie zu. »Sie haben gute Arbeit getan«, sagte er zu Petride. »Nach den Laufplänen des Einsatzbeamten existieren Sie nicht.«
    Um sechs Uhr fünfunddreißig wurde ein Signal gegeben. Eine weitere Weiche wurde gestellt, und der Zug von Saloniki rollte auf die Gleise nach Zagreb.
    Um Mitternacht - sie hatten inzwischen das Bahnhofsgelände von Zagreb erreicht - überreichte ein anderer Mann, der wieder aus den Schatten hervortrat, Petride einen langen Umschlag. »Das sind die Papiere. Das Ministro di Viaggio des Duce hat sie unterzeichnet. In den Papieren steht, daß Ihr Zug zur venezianischen Ferrovia gehört. Das ist der ganze Stolz Mussolinis. Niemand hält einen solchen Zug an. Sie machen halt in der Station Sezana und gehen dann auf die Ferrovia aus Triest. Die Grenzpatrouillen von Monfalcone werden Ihnen keine Schwierigkeiten machen.«
    Drei Stunden später warteten sie auf den Gleisen von Sezana, und ihre schwere Lokomotive dampfte leise vor sich hin. Petride saß auf der Einsteigtreppe und sah Anaxas zu, wie er an den Ventilen und Hebeln hantierte.
    »Du bist wirklich bemerkenswert«, sagte er und meinte das Kompliment ganz wörtlich.
    »Das ist nur ein kleines Talent«, erwiderte Anaxas. »Man braucht keine besondere Ausbildung dazu, man muß es nur immer wieder tun.«
    »Ich finde, das ist ein hervorragendes Talent. Ich könnte das nie.«
    Sein Bruder blickte zu ihm hinunter. Der rote Widerschein des Kohlenfeuers beleuchtete sein breites Gesicht mit den weit auseinanderliegenden Augen, die so

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