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1976 - Die Sonnenwürmer

Titel: 1976 - Die Sonnenwürmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Sinnesbruder, doch das ging Xypon etwas zu weit.
    Verhaanda schüttelte den Schädel und kräuselte die sechs Armtentakel. „Nein, hör mir zu!" sagte er. „Die eine dieser Wellenformen wandert in die Zukunft, die andere kommt aus ihr und beeinflusst damit die Gegenwart, also ihre eigene Vergangenheit. Die eine Hälfte der Wellen retardiert, die andere avanciert. In der Mitte des Raums und der Zeit, unserer Gegenwart, treffen sie aufeinander ..." Xypon wirkte plötzlich interessiert. Er stieg die Wand hinab, bis seine vier Beintentakel den Boden berührten, und trat zu seinem Sinnesbruder. „... und erzeugen erst Raum und Zeit", sagte er. „Photonen haben dich auf diese Idee gebracht. Wenn ein Atom ein Photon erzeugt und ausstrahlt, muss dieses Lichtteilchen auch irgendwann wieder absorbiert werden. Du gehst davon aus, dass die Entstehung des Photons erst stattfinden kann, wenn seine Vernichtung schon feststeht."
    „Und beide Ereignisse strahlen Wellen aus, das eine in die Zukunft, das andere in die Vergangenheit. Erst wenn sie aufeinandertreffen, wird der physikalische Pakt bestätigt und kann das Photon entstehen. Und damit unsere Raumzeit."
    „Damit stößt du die gesamte Kausalität unserer bisherigen Denkweise um", sagte Xypon und ließ sich im Sessel des Kopiloten nieder. Sein fast zweieinhalb Meter großer Körper leuchtete karmesinrot, ein Zeichen seiner intellektuellen Erregung. „Wie willst du den Beweis erbringen? Die nötigen Forschungen würden länger dauern, als deine Lebensspanne währt. Ein Nachfolger, der sich auf deine Theorie einließe, ist nicht in Sicht. Außerdem stehen dir kaum die nötigen Ressourcen zur Verfügung."
    Niedergeschlagen senkte Verhaanda den Blick der großen, tellerförmigen Augen. „Du hast selbstverständlich Recht. Wir sind zwar die beherrschende Spezies unserer Galaxis, wir haben ein Reich errichtet, das zum Höhepunkt seiner Macht aus dreitausendvierhundertundzwölf besiedelten Planeten bestand, aber unsere wissenschaftliche Entwicklung ist in eine Sackgasse geraten. Wir haben einen falschen Weg eingeschlagen, uns zu sehr auf ein Gebiet spezialisiert und alle anderen Felder brachliegen lassen."
    „Ein Weg, dem ich immerhin das Leben verdanke", sagte Xypon leise.
    Verhaanda streckte zwei Armtentakel aus und strich mit ihnen zärtlich über den ebenfalls chitingepanzerten Schädel seines Gegenübers. „Verzeih mir. Ich habe damit keinesfalls gemeint, dass wir keine Genkonstruktion mehr betreiben sollen. Du bist mein Sinnesbruder. Was wäre ich ohne dich?"
    Verhaandas Alter ego richtete sich auf. „Mehr als ich ohne dich jedenfalls. Ohne dich wäre ich gar nichts. Wie könnte ich ohne dich existieren?"
    Verhaanda warf einen Blick auf den Bildschirm, dessen Hologrammdarstellung eine halbe Wand der Zentrale vereinnahmte. Die LHAMAAR flog gerade in einen Kugelsternhaufen im Halo von Louipaz ein. Das Bordgehirn hielt automatisch Ausschau nach unbekannten Phänomenen, reizvollen stellaren Objekten, Raumanomalien oder hyperphysikalischen Abnormitäten, nach allem, was den Wissensdurst der Joridaer wecken konnte. „Die Zeiten ändern sich", sagte der Forscher, Kommandant und einziges Besatzungsmitglied der weißen Flimmersphäre, von seinem Sinnesbruder natürlich ganz abgesehen. „Meine Bemerkung galt auch weniger der Genkonstruktion als dieser ... Mystik, die unser Volk immer stärker durchdringt." Xypon sah ihn fragend an. „Der Expansionsdrang der Joridaer ist gestillt", fuhr Verhaanda fort. „Wir ziehen uns nach und nach von den eroberten Welten zurück und überlassen sie anderen Völkern. Wir verinnerlichen uns und widmen uns der Erforschung kosmischer Geheimnisse. Was wollen wir damit erreichen? Woran kratzen wir, wenn wir versuchen, auch noch den letzten Rätseln auf den Grund zu gehen?"
    „Vielleicht", sagte Xypon, „steht ihr an der Schwelle einer ganz neuen Entwicklung, an deren Ende euch etwas erwartet, was ihr euch jetzt noch nicht vorstellen könnt." Verhaanda kniff die seitlich am Kopf befindlichen Augen zusammen. Er hatte den Eindruck, dass das „ihr" und „euch" im Satz seines Widerparts sehr vorwurfsvoll klang. Vorwurfsvoll und zutiefst deprimiert. Xypon würde an dieser Entwicklung keinen Anteil haben.
    Schließlich war er ja nur ein Alter ego. Der Kommandant der LHAMAAR hatte Verständnis für seinen Sinnesbruder. Nicht nur, weil er sich selbst sah, wenn er ihn anschaute. Der herzförmige Unterleib mit den je zwei muskulösen Tentakelpaaren

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