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1982 - Gefangene der Algioten

Titel: 1982 - Gefangene der Algioten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Die Wirklichkeit sah eben ganz anders aus, und man konnte nur durch Erfahrung lernen, damit umzugehen und entsprechend reagieren zu können. Rinaher fragte sich, was sie hätte anders machen sollen - sich nicht um Junkeron kümmern, der ohnehin schon tot war, und sich verstecken? Oder kämpfen? Doch sie hatte nicht einmal eine Waffe bei sich gehabt, geschweige denn einen Schutzanzug getragen. Sie waren völlig von dem Angriff überrascht worden, und es hatte keine Zeit mehr gegeben, sich in Kampfbereitschaft zu versetzen. Und die ANUBIS war zu einem Wrack geschossen worden. Vermutlich war sie längst explodiert; sich zu verstecken hätte überhaupt nichts gebracht. Rinaher konnte froh sein, bisher überhaupt mit dem Leben davongekommen zu sein. Es war nicht leicht, mit der Angst vor dem Unbekannten umgehen zu können.
    Sie war momentan, in ihrer Isolation in dieser kleinen Zelle, zur Untätigkeit verurteilt. „Reiß dich zusammen, Kadettin Rinaher!" ermahnte sie sich selbst streng. „Es ist dein Beruf! Du wirst lernen, damit umzugehen! Denk nach, was du tun könntest! Denk nach!"
    Auf einmal öffnete sich das Schott zur Zelle, und ein über zwei Meter großes Echsenwesen trat ein, mit kräftigen Armen und stämmigen Beinen, die keinen Stützschwanz mehr benötigten, und blasspurpurnen Schuppen. Eine enganliegende dunkelviolette Kampfmontur ließ die Arme weitgehend frei, die Beine steckten in klobigen, kniehohen Stiefeln aus schuppigem Leder. Der lange Hals ging über in einen schmalen Kopf mit hoch angesetzten, nach vorne gerichteten Augen über einer vorspringenden, kantigen Schnauze. Ein Voranese, erkannte Rinaher. Sie hatte, wie jeder Teilnehmer der Chearth-Mission, eine umfassende Schulung über das Vielvölkergemisch der zwei Galaxien Chearth und Algion erhalten, basierend auf dem Material, das Mhogena zur Verfügung gestellt hatte. Der Voranese reichte ihr auf einem leuchtendroten Teller aus unbekanntem Material Konzentratnahrung und einen Wasserbehälter mit Becher. „Bin ich die einzige noch Lebende?" fragte Rinaher in der Verkehrssprache der Völker Algions, die die Tazolen einst eingeführt hatten.
    Der Voranese schwieg. Er war nahe genug, dass Rinaher sich in seinen glänzenden, großen dunklen Augen spiegeln sah, und sie zuckte unwillkürlich zurück. Natürlich war dieses Abbild verzerrt, aber auch sonst hatte es mit dem sonst vertrauten Anblick im Spiegel. nicht mehr viel gemein. Das kupferfarbene, schulterlange Haar hing stumpf und glanzlos herab, die gelben Augen waren trüb, ohne den schimmernden rötlichen Stich, der so manchen Cameloter derart fasziniert hatte, dass er sie hingebungsvoll anschmachtete. Ihr schmales Gesicht war teilweise rußgeschwärzt. Ein Bild des Jammers; nichts davon erinnerte an eine stolze Arkonidin, die bereit war, dem Tode mutig ins Auge zu blicken. „Bitte sag es mir doch, nur ja oder nein", wiederholte Rinaher flehend und fragte sich, ob der Voranese ihre Aussprache vielleicht nicht verstand. Die Wörter - und hoffentlich auch die Grammatik - stimmten; jeder Expeditionsteilnehmer hatte eine kurze Hypno-Schulung anhand der Translatordaten erhalten. Algisch war eine sehr melodiöse Sprache, die so gar nicht zu dem asketischen Äußeren der Tazolen passen wollte, und es war nicht einfach, diesen Singsang richtig zu betonen. Natürlich beherrschte Rinaher die Sprache nicht fließend, aber sie war durchaus in der Lage, sich mit einfachen, alltäglichen Worten zu verständigen. „Bin ich die einzige Lebende?" fragte sie erneut.
    Der Voranese gab auch jetzt keine Antwort. Er hatte wohl die ausdrückliche Anweisung erhalten, das Essen zu servieren, aber keinerlei Kontakt mit der Gefangenen aufzunehmen. Rinaher sah ihm verzweifelt nach, als er sich umdrehte und wieder hinausging. In einem kurzen Impuls wollte sie ihm nachlaufen, ihn beiseite stoßen und irgendwohin fliehen. Immerhin war ihr knabenhaft schlanker Körper gut trainiert, und sie war gut 1,77 Meter groß. Trotzdem wog der Voranese vermutlich gut 100 Kilo mehr als sie, und sie würde sich womöglich sogar das Handgelenk brechen bei dem Versuch, ihn wegzustoßen. Außerdem wusste sie nicht, ob und wie viele Wachen draußen warteten.
    Ein blindes Voranstürmen war jetzt sicherlich nicht die richtige Strategie. Zuerst musste sie wieder zu Kräften kommen, Informationen sammeln, einen geeigneten Fluchtplan überlegen. Über das Innere der Knotenschiffe war nicht viel bekannt, da es offensichtlich keinen Standard gab.

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