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1984

1984

Titel: 1984 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Bevölkerung Ozeaniens umfaßt. Nach der Inneren Partei kommt die Äußere Partei, die, wenn man die Innere Partei als das Gehirn des Staates bezeichnet, berechtigterweise mit dessen Händen verglichen wird. Danach kommen die dumpfen Massen, die wir gewöhnlich als »die Proles« bezeichnen, der Zahl nach ungefähr fünfundachtzig Prozent der Bevölkerung. In der Bezeichnung unserer früheren Klassifizierung sind die Proles die Unterschicht; denn die Sklavenbevölkerung der äquatorialen Länder, die ständig von einem Eroberer zum anderen wechseln, sind kein dauernder und notwendiger Teil der Struktur.
    Im Prinzip ist die Zugehörigkeit zu diesen drei Gruppen nicht erblich. Das Kind von Eltern, die zur Inneren Partei gehören, ist in der Theorie nicht in die Innere Partei hineingeboren. Die Aufnahme in eine der beiden Gliederungen der Partei findet auf Grund einer im Alter von sechzehn Jahren abzulegenden Prüfung statt. Auch gibt es dort keine Rassenunterschiede, so wenig wie eine ausgesprochene Vorherrschaft einer Provinz gegenüber einer anderen. Juden, Neger, Südamerikaner von rein indianischem Geblüt sind in den höchsten Stellen der Partei zu finden, und die Sachwalter eines Gebietes sind immer der Einwohnerschaft dieses Gebietes entnommen. In keinem Teil Ozeaniens haben die Bewohner das Gefühl, eine von einer fernen Hauptstadt aus regierte Kolonialbevölkerung zu sein. Ozeanien hat keine Hauptstadt, und sein nominelles Oberhaupt ist ein Mensch, dessen Aufenthaltsort niemand kennt. Abgesehen davon, daß Englisch seine Umgangssprache ist und Neusprache seine Amtssprache, ist es in keiner Weise zentralisiert. Seine Machthaber sind nicht durch Blutsbande miteinander verbunden, sondern durch die Anhängerschaft an eine gemeinsame Lehre. Allerdings ist unsere Gesellschaft geschichtet, und zwar sehr streng geschichtet nach einer Ordnung, die auf den ersten Blick nach den Richtlinien der Vererbung ausgerichtet zu sein scheint. Es gibt weit weniger Hin und Her zwischen den verschiedenen Gruppen, als unter dem Kapitalismus oder sogar in den vorindustriellen Zeitaltern stattfand. Zwischen den beiden Gliederungen der Partei findet ein gewisser Austausch statt, aber nur gerade so viel, um zu gewährleisten, daß Schwächlinge aus der Inneren Partei ausgeschlossen und ehrgeizige Mitglieder der Äußeren Partei unschädlich gemacht werden dadurch, daß man ihnen emporzusteigen erlaubt. Proletariern wird in der Praxis nicht gestattet, in die Partei aufzurücken. Die begabtesten unter ihnen, die möglicherweise einen Unruheherd schaffen könnten, werden ganz einfach von der Gedankenpolizei vorgemerkt und liquidiert.
    Aber dieser Stand der Dinge ist nicht notwendigerweise ein Dauerzustand, auch ist er kein Prinzip. Die Partei ist keine Klasse im althergebrachten Sinne des Wortes. Sie zielt nicht darauf ab, die Macht auf ihre eigenen Kinder als solche zu übertragen; nur wenn es keinen anderen Weg gäbe, die fähigsten Menschen an der Spitze zu halten, so wäre sie durchaus bereit, eine ganz neue Generation aus den Reihen des Proletariats zu rekrutieren. In den kritischen Jahren trug die Tatsache, daß die Partei keine erbliche Körperschaft war, viel zur Ausschaltung der Opposition bei. Ein Sozialist vom alten Gepräge, der darauf gedrillt worden war, gegen etwas, das man »Klassenvorrechte« nannte, zu kämpfen, nahm an, was nicht erblich ist, könne auch nicht dauernd sein. Er erkannte nicht, daß die Kontinuität einer Oligarchie keine leibliche zu sein braucht, auch hielt er sich nicht mit der Überlegung auf, daß erbliche Adelsherrschaften immer kurzlebig waren, während allen Menschen zugängliche Organisationen wie die katholische Kirche manchmal Hunderte oder Tausende von Jahren Bestand hatten. Das Wesentliche der oligarchischen Herrschaft ist nicht die Vererbung vom Vater auf den Sohn, sondern der Fortbestand einer gewissen Weltanschauung und einer gewissen Lebensweise, die von den Toten den Lebenden aufoktroyiert werden.
    Eine herrschende Gruppe ist so lange eine herrschende Gruppe, als sie ihre Nachfolger bestimmen kann.
    Der Partei geht es nicht darum, ewig ihr Blut, sondern sich selbst ewig zu behaupten. Wer die Macht ausübt, ist nicht wichtig, vorausgesetzt, daß die hierarchische Struktur immer dieselbe bleibt.
    Alle für unsere Zeit charakteristischen Überzeugungen, Gewohnheiten, Geschmacksrichtungen, Meinungen, geistigen Einstellungen sind in Wirklichkeit dazu bestimmt, das Mystische der Partei

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