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1984

1984

Titel: 1984 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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tree
    l sold you and you sold me:
    There lie they, and here lie we
    Under the spreading chestnut tree.
    Die drei Männer machten keine Bewegung. Aber als Winston einen heimlichen Blick auf Rutherfords verfallenes Gesicht warf, sah er, daß dessen Augen voller Tränen standen. Und jetzt bemerkte er zum erstenmal mit einem innerlichen Schaudern, daß sowohl Aaronson als Rutherford gebrochene Nasenbeine hatten.
    Kurze Zeit darauf wurden alle drei aufs neue verhaftet. Es stellte sich heraus, daß sie vom Augenblick ihrer Entlassung an sich in neue Verschwörungen eingelassen hatten. Bei ihrer zweiten Verhandlung bekannten sie sich noch einmal zu ihren alten Verbrechen, nebst einer ganzen Reihe neuer. Sie wurden hingerichtet und ihr Schicksal als Warnung für spätere Generationen in den Partei-Annalen aufgezeichnet.
    Etwa fünf Jahre danach, im Jahre 1973, als Winston ein Bündel Dokumente aufrollte, die gerade aus der Rohrpostleitung auf seinen Schreibtisch geplumpst waren, stieß er auf einen Zeitungsausschnitt, der offenbar zwischen die anderen Papiere geraten und dann vergessen worden war. Als er ihn glatt strich, erkannte er sofort seine Bedeutung. Es war eine herausgerissene halbe Seite aus einer etwa zehn Jahre alten Times – die obere Hälfte des Blattes, so daß noch das Datum darauf war – und enthielt ein Bild der Delegierten bei irgendeiner Parteiveranstaltung in New York. Deutlich im Mittelpunkt der Gruppe 35
    George Orwell – 1984
    hervorgehoben standen Jones, Aaronson und Rutherford. Sie waren leicht zu erkennen; außerdem standen ihre Namen darunter auf dem Begleittext.
    Der springende Punkt war nun, daß bei beiden Verhandlungen alle drei Männer gestanden hatten, sich zu diesem Zeitpunkt auf eurasischem Gebiet befunden zu haben. Sie seien von einem geheimen Flughafen in Kanada zu einem Zusammentreffen irgendwo in Sibirien geflogen, hätten mit Mitgliedern des eurasischen Generalstabs Beratungen gepflogen und ihnen wichtige militärische Geheimnisse verraten. Das Datum hatte sich Winstons Gedächtnis eingeprägt, weil es zufällig mit dem Sommeranfang zusammenfiel.
    Aber die ganze Sache mußte noch an zahllosen anderen Stellen aufgezeichnet sein. Es gab nur eine mögliche Schlußfolgerung: die Geständnisse waren Lügen.
    Natürlich war das an sich keine neue Entdeckung. Sogar damals hatte Winston keinen Augenblick geglaubt, daß die bei den Säuberungsaktionen Hingerichteten wirklich der Verbrechen schuldig seien, deren man sie bezichtigte. Hier aber handelte es sich um einen greifbaren Beweis; hier hielt er ein Fragment der ausgetilgten Vergangenheit in Händen, wie einen fossilen Knochen, der in der verkehrten Gesteinsschicht aufgetaucht war und eine geologische Theorie zunichte machte. Wenn das Dokument auf irgendeine Weise der Welt bekannt gemacht und seine Bedeutung erklärt werden konnte, genügte es, um die Partei in Atome zu zersprengen.
    Er hatte ruhig weitergearbeitet. Sobald er gesehen hatte, was das Bild darstellte und was es bedeutete, hatte er es mit einem anderen Blatt Papier zugedeckt. Glücklicherweise war der Zeitungsausschnitt beim Aufrollen mit der Rückseite dem Blickfeld des Televisors zugekehrt gewesen.
    Er legte seine Schreibunterlage auf die Knie und schob seinen Stuhl zurück, um möglichst weit von dem Televisor abzurücken.
    Ein ausdrucksloses Gesicht zu bewahren, war nicht schwer, und mit einer entsprechenden Willensanstrengung konnte man sogar seine Atemzüge beherrschen; nicht aber das Pochen des Herzens, und der Televisor war durchaus empfindlich genug, um es aufzufangen. Er ließ seiner Berechnung nach zehn Minuten verstreichen, die ganze Zeit gequält von der Angst, ein Zufall – ein plötzlich über seinen Schreibtisch wehender Zugwind zum Beispiel – könnte ihn verraten. Dann warf er das Bild, ohne es noch einmal aufzudecken, zugleich mit einigen anderen Papierabfällen, in das Gedächtnis-Loch . Eine Minute später war es wahrscheinlich schon zu Asche zerfallen.
    Das lag zehn, elf Jahre zurück. Heute hätte er das Bild vielleicht aufbewahrt. Es war seltsam, daß die Tatsache, es in Händen gehalten zu haben, für ihn sogar heute noch von Bedeutung war, obwohl doch das Bild selbst ebenso wie das darauf festgehaltene Ereignis so weit zurücklag. War die Macht der Partei über die Vergangenheit weniger groß, fragte er sich, weil ein Beweisstück, das nicht mehr existierte, wenigstens einmal existiert hatte?
    Heute jedoch wäre das Bild, selbst wenn man es wieder

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