1986 - Kampf der Giganten
Milliarden Kilometer, sprich etwa 102 Lichtminuten.
„Wenn es in unserem Universum ein passendes Äquivalent zum Begriff Hölle gibt", murmelte Steph, „dann ist es hier anzutreffen! Ganze Sonnen werden permanent in den Vernichtungsstrudel gerissen, die Verzerrungen von Raum und Zeit sind extrem, hyperenergetische Phänomene mischen sich ins Spektakel, und akausale Phänomene sind ebenfalls an der Tagesordnung. Verflucht!" Die Frequenz aller konventionellen Ausstrahlungen wurde sowohl durch das immense Schwerefeld, den Einstein-Effekt einer Gravitationslinse als auch durch die Scheibenrotation im Sinne des Doppler-Effekts verändert. Die starke Raum-Zeit-Krümmung lieferte dem entfernten Beobachter ein Doppelbild der Scheibe. Zur gleichen Zeit ließen sich ein direktes, allerdings verzerrtes Bild der Scheibenoberseite sowie ein indirektes der Scheibenunterseite ausmachen.
Und irgendwo dort befindet sich der Gegner, die Kosmische Fabrik MATERIA! Steph La Nievand empfand bedrückende Beklemmung. Vollständig mit goldenem Carit beschichtet, geprägt von bis zu sechzig Kilometer hohen Turmbauten über der fünfeckigen Basisplattform von zehn Kilometern Dicke - ein kosmokratisches High-Tech-Produkt! „Auftakt zum entscheidenden Gefecht", erklang Bullys kratzige Stimme mit galligem Humor. „Fehlt nur die passende Musikuntermalung: Triumphmarsch aus Aida wäre nicht schlecht, oder?"
„Die Ouvertüre der Galactic Symphony würde ebenfalls passen", antwortete Fee Kellind. „Ich habe '85 den Klassiker von Singh Boncard in der hochgelobten Music-Hall-Aufführung gehört; eine monumentale Interpretation von Kolaans Heingh."
„Das wüsste ich aber!"
„Wer hat dich gefragt, Blechkasten?" schnappte Bully. „Niemand, Sir. Dennoch sei der Hinweis gestattet, dass ..."
„Shut up!"
Trotz der Anspannung huschte das eine oder andere Schmunzeln über ansonsten starre Gesichter. „Heh!" rief Trabzon Karett. „Man beachte bitte die Sensibilität des Inhalts unserer 500-Meter-Rechnerkugel; sie ging erst vor kurzem eines Sechstels ihrer Kapazität verlustig."
„Wenn ich mal Zeit habe, werde ich angemessen trauern", brummte Bully sarkastisch. „Der Bursche hatte schon immer einen Dachschaden. Jetzt haben wir den endgültigen Beweis! Wie war das noch? Man habe in seinem organischen Selbstbehauptungssektor eine Balpirol-Halbleiterverbindung zuviel eingebaut und die Standardredewendung komme deshalb stets dann zum Einsatz, wenn in einem Gespräch neue Informationen einfließen?
Sensibilität? Quatsch!"
Perry Rhodan sagte mit dünnem Lächeln: „Deine, mein Lieber, gleicht manchmal dem Charme eines Presslufthammers! Verdrehst du hier nicht ein bisschen Ursache und Wirkung?" Bully hob die Stimme und deklamierte betont pathetisch: „In grauer Vorzeit, in jenen großen und ruhmreichen Tagen des ehemaligen Galaktischen Imperiums, war das Leben noch abenteuerlich, ereignisreich und im großen und ganzen steuerfrei ... In jenen Tagen war der Mut noch ungebrochen, war das Risiko noch hoch, waren Männer noch richtige Männer, Frauen noch richtige Frauen und kleine pelzige Wesen von Alpha Centauri noch richtige kleine pelzige Wesen von Alpha Centauri ..."
„Häh?" machte Trabzon Karett. „Das gehört ..." Perry Rhodan verbiss sich merklich das Lachen - „... zu einem anderen Film!"
„Ach so - ich dachte schon ich hätte was Wichtiges verpasst; von wegen Galaktisches Imperium und richtige Männer und so."
„Die richtigen Frauen nicht zu vergessen", ergänzte Pria Ceineede und handelte sich einen scheelen Blick Bullys ein. Die Dritte Pilotin war 1,80 Meter groß, trug die blonden Haare zum Scheitelknoten gebunden, bevorzugte figurbetonte Kleidung und galt als leicht rechthaberisch. „Außerdem fände ich George Nancars Zweites Marsianisches Konzert treffender, vor allem die Crescendo-Kadenzen im Mittelteil ..." Von etlichen Besatzungsmitgliedern erklang ersticktes Prusten. Psychotaktische Entspannungstherapie, konstatierte Steph in Gedanken und sah in die Runde. Aufheiterungsmanöver dieser Art wurden zur Zeit des Solaren Imperiums auch Ernstfall-Blödelei genannt - hat Gucky jedenfalls behauptet ... Ich persönlich würde Tödliche Ufer von Peter Gray wählen oder Richard Wagners Fliegenden Holländer ...
Unbewusst pfiff er die Melodie. Dem unbewegten Gesicht Monkeys, durch die Optikhülsen entfremdet, war nicht anzusehen, was er von den betont lockeren Sprüchen hielt - angesichts seiner humorlosen Art vermutlich rein
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