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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Umkleideraum, und wenige Minuten später trafen sie sich auf dem Platz. Sie spielten etwa gleich gut. Er hatte die Sonne gegen sich, aber sie nutzte seinen Nachteil nicht aus, war nicht ganz bei der Sache oder – im Grunde genommen – doch bei der Sache, dachte, während der Ball hin und her flog, an ihren Auftrag und an ein paar Einzelheiten, die die Recherche über den Colonel Matthew Braden ergeben hatte: fünfzig Jahre alt, verheiratet, drei Kinder. Die beiden Söhne auch schon beim Militär. Der ältere war Marine-Arzt, und der jüngere diente in Texas bei der US-Air-Force. Mrs. Braden und die siebzehnjährige Tochter Dorothée lebten in Boston. Seit drei Jahren leitete Braden das Giftdepot von Wasloh, das als NATO-Einrichtung den US-Code GY350 führte. Dort lagerten laut Nachforschungen der VITANOVA neben Tabun, Sarin und Soman auch fünfhundert Tonnen des Nervengases VX. »Sorry!« rief Braden. Er hatte einen Passierball gelandet, den sie nicht mehr erwischte, und sie sagte sich: Sein sorry ist natürlich nur die Höflichkeit des Mannes vor dem Beischlaf.
Etwas später, als sie eigentlich die Plätze hätten wechseln müssen, er aber darauf bestand, weiterhin gegen die Sonne zu spielen, legte sie ihm auch das als einen Winkelzug aus, als den wohlüberlegt eingesetzten Charme, mit dem er ans Ziel wollte. Und sie dachte: Ich will auch ans Ziel!
Es war warm. Sie begann zu schwitzen, zog ihren langärmeligen Baumwollpullover aus. Noch am Morgen hatte sie das seit dem Dienstag schon wieder nachgewachsene tiefschwarze Achselhaar ausrasiert und die beiden Stellen überpudert. Das war wichtig gewesen, denn wie sie selbst und ihre Leute, so waren natürlich auch Männer wie der Colonel geeicht auf alles, was aus der Reihe fiel, und Hellblond und Tiefschwarz an ein und demselben Körper hätten ihn mit Sicherheit stutzig gemacht.
Sie war froh, daß dieser Pykniker aus Boston da vor ihr hin und her hüpfte, ohne am Platzrand seine bodyguard postiert zu haben. Als Robert gesagt hatte, es sei nur über den Tennisclub zu schaffen, hatten die anderen gemeint, auch dort habe er vermutlich ein paar Gorillas bei sich. Also hatte sie sich zunächst nur zur Beobachtung nach Kellbach begeben, hatte dann gesehen, daß der Fahrer den Colonel zum Clubhaus brachte und gleich wieder verschwand. Bei einem weiteren Besuch hatte sie erkundet, daß der Wagen um elf Uhr zurückkam, der am Steuer sitzende GI jedoch eine Dreiviertelstunde lang draußen warten mußte, bis nämlich sein Boss das Gespräch mit den anderen Spielern beendet hatte. Beim dritten Mal schließlich hatte sie sich an den Tresen gesetzt und von Braden ansprechen lassen. Das Ergebnis war die Verabredung zum Tennisspiel gewesen. Als Clubmitglied hatte er das Recht, externe Spieler einzuladen. Aber sie hatte gleich gesagt: »Ich kann nur morgens um halb acht.« Und er hatte geantwortet: »Das macht nichts. Ich steh’ sowieso jeden Morgen um sechs Uhr auf; also dreh’ ich meinen Tagesplan ein bißchen um.«
Die Wahl der frühen Stunde hatte sich dann bewährt. Fast immer waren sie allein. Nur ein junger Spanier, der zum Personal gehörte, war ihnen hin und wieder unter die Augen gekommen. Er hatte Papier aufgesammelt oder die weißen Markierungen auf den Nachbarplätzen erneuert, und beim letzten Mal hatte er hinter der Theke gestanden und Gläser gespült.
Ihr flog ein scharfer Ball gegen die Brust. Sofort lief Braden ans Netz, kletterte sogar darüber hinweg, und diesmal sagte er: »So sorry!« Das so klang zum Gotterbarmen. Aber sie hatte in ihrer Heimat eine harte Ausbildung durchlaufen, und ein Tennisball war schließlich kein Stein. Sie wehrte Bradens Beflissenheit ab, nahm seine Hand, die partout die getroffene Stelle streicheln wollte, schob sie aber nicht brüsk weg, sondern hielt sie eine Weile fest, was zwar immer noch Abwehr bedeutete, aber auch Kontakt. »Not here«, sagte sie, und das war mindestens so verheißungsvoll wie das not today vom letztenmal. Glücklich kehrte er zu seiner Grundlinie zurück.
Um kurz vor acht hörten sie auf. Er hatte sechs zu vier gewonnen. Sie gingen ins Clubhaus, und im Vorraum zu den Duschen entspann sich dann wieder der kleine, tändelnde Dialog, den sie ganz bewußt lenkte, indem sie behutsam Abweisendes einflocht. Auch das hatten sie in der Gruppe oft erörtert: daß die als Köder eingesetzten Frauen manchmal alles verpatzten, weil im entscheidenden Augenblick ihre Bereitschaft plötzlich durchschaubar wurde. Ein falsches

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