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1988 VX (SM)

1988 VX (SM)

Titel: 1988 VX (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Weg entlang, entdeckte niemanden, kehrte zu dem Toten zurück, zog seinen Oberkörper auf die Tischplatte. Dann griff sie in ihre Jackentasche und holte den Schalldämpfer heraus, schraubte ihn auf den Lauf. Anschließend legte sie die rechte Hand des Toten so hin, daß sie auf die geöffnete Tür zeigte, drückte die Waffe hinein. Aber zwischen den erschlafften Fingern hielt das Eisen sich nicht, und sie mußte nachhelfen. Sie stützte seine Rechte, zielte grob und schoß, mit seinem Zeigefinger am Abzug, in den Waldboden vor der Tür. Gleich darauf fischte sie aus ihrer Jackentasche eine einzelne Patrone, lud nach und legte die Waffe abermals in Golombeks Hand, sorgte dafür, daß deutliche Abdrücke entstanden. Wieder hielten seine Finger das Eisen nicht. Es polterte auf den Tisch. Na gut, dachte sie, Hand oder Tisch, das macht bei der Rekonstruktion keinen Unterschied.
    Sie nahm das Tuch vom Kopf des Toten, band es sich wieder um. Das Notizbuch kam in den Korb.
Sie ging zur Tür, betrachtete ihr Werk, überlegte, ob sie einen Fehler gemacht haben könnte. Nein, dachte sie schließlich und zählte auf: Das Blockhaus als ein Ort der Erinnerung an die Tochter und damit auch der Trauer ist überzeugend. Die Waffe ist da, neben seiner rechten Hand. Und sie trägt seine Fingerabdrücke. Der Schuß wurde aus nächster Nähe abgefeuert, wie es üblich ist, wenn einer sich erschießt. Weiter: Die Hand hat ihre Schmauchspuren, und kein noch so findiger Kopf im BKA wird herausfinden, daß sie nicht bei dem Herzschuß, sondern erst kurz danach entstanden sind. Das Pferd bleibt, wo es ist. In einer Stunde oder zwei wird Frau Golombek ihren Mann vermissen. Dann geht die Suche los, und man findet ihn in diesem Haus. Jeder wird seinen Tod verstehen: Er wollte ein Mahner sein, ein Held, und ist ein Narr geworden. Das kann für einen Mann mit Haltung, und das war er, tödlich sein. Hinzu kommt, daß es die Tochter, für die er vielleicht bereit gewesen wäre, sein verpfuschtes Leben weiterzuleben, nicht mehr gibt. Also: Frank Golombek ist gescheitert und hat den Freitod gewählt. Einen Mörder wird man nicht suchen. Ich habe Zeit und Ruhe, mich aus dieser Gegend zu entfernen, fahre morgen nach Frankreich und von dort aus weiter. Ich werde ein paar Monate zu Haus verbringen. Dann wächst Gras über den Fall »Wasloh«, und erst danach, vielleicht in einem Vierteljahr, vielleicht in einem halben, fahre ich nach Schweden, stelle als Journalistin von PARIS MATCH oder vom OBSERVER Recherchen an über den Tod eines gewissen Lars Nydager, gerate an seine Freunde, und vielleicht gelingt es mir, die Spur aufzudecken, die in die USA führt. Dort wird es dann ein paar Leute geben, die zahlen müssen. Nicht in Dollars; diese Chance haben sie vertan.
Sie trat hinaus, schloß die Tür, kratzte die Kugel aus dem Boden, ebnete die Stelle wieder ein.
Sie ging durch den Wald. Es war ein friedliches Bild: ein blondes Mädchen im Sommergrün, einen Korb mit Pilzen in der Hand. Wie aus dem Märchenbuch. Aber es war kein Märchen, sondern nur das vorläufige Ende einer mörderischen Geschichte aus unserer Zeit.

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