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1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

1994 Jagdzeit in Deutschland (SM)

Titel: 1994 Jagdzeit in Deutschland (SM) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hinrich Matthiesen
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zur Wende, das war einzusehen, hatte er sich nicht hervorwagen dürfen, aber danach? Seitdem waren Jahre vergangen, und es gab kein einziges Lebenszeichen. Er hatte Detektive engagiert, war immer wieder auf den Ämtern gewesen, hatte ehemalige Gefängnisinsassen ausgefragt, einige von ihnen mehrmals, und war endlich auf Georg Schöller gestoßen, der in Berlin eingesessen und Dritten gegenüber von einem erst Sechzehnjährigen gesprochen hatte, den sie, wie er gesagt haben sollte, aus dem Fluchtfahrzeug geschossen, wieder zusammengeflickt und dann eingesperrt hatten.
    Er stand auf und prüfte noch einmal seine Hände. Sie waren so, wie sie sein sollten. Er zog sich vollends an, verließ das Haus, stieg ins Auto und fuhr in den Betrieb, eine kleine pharmazeutische Fabrik im Norden Hamburgs, die seinem Onkel Eckehard Kämmerer gehörte und die er einmal übernehmen würde.
    Sie begrüßten sich auf dem Parkplatz der Firma, waren zur gleichen Zeit dort eingetroffen.
»Wie schön, daß du zurück bist!« sagte der Onkel.
»Ja, aber meinen Dienst kann ich noch nicht antreten.«
»Das macht nichts.«
»Und du auch nicht.«
»Seh’ ich so klapperig aus?«
»Nein, aber ich muß mit dir reden, und es kann ein langes Gespräch werden. Geht das?«
»Wenn es wichtig ist, ja.«
»Es ist wichtig.«
»Dann komm!«
Sie gingen ins Gebäude, nickten hinüber zum Pförtner, durchschritten den langen Korridor, betraten das Chefbüro, setzten sich. Paul Kämmerer zündete sich eine Zigarette an, und dann sagte er:
»Ich habe in Halle erfahren, daß Tilmann nicht mehr lebt.«
»Mein Gott!« Der Onkel schlug die Hände ineinander. »Befürchtet haben wir es beide, weil die Nachrichten so hartnäckig ausblieben. Aber gehofft hatten wir immer noch.«
»Ja, das stimmt. Ich hab’ lange geschwiegen über das, was damals passiert ist, hab’ dich immer nur mit Andeutungen abgespeist.«
»Glaub mir, ich hab’ das gut verstanden. Und ich war sicher, irgendwann würdest du mir alles erzählen. Ist es heute soweit?«
»Ja.«
Wieder sah Paul Kämmerer auf seine Hände, vor allem auf die rechte, die die Zigarette hielt. Der kleine weiße Stab ragte fast reglos nach oben.
»Ich weiß nur«, sagte der Onkel, »daß ihr zu viert wart und daß sie auf euch geschossen haben. Du kamst rüber, wenn auch verletzt, aber Tilmann, ebenfalls getroffen, blieb liegen.«
»Das klingt grausam. Vater und Sohn werden verwundet, und der Vater setzt seinen Weg fort.«
»So hab’ ich es nicht gemeint. Du kennst doch sicher die kleine Erzählung von den beiden Dachdeckern.«
»Nein, die kenne ich nicht.«
»Zwei Männer, es sind Vater und Sohn, sollen den Kirchturm reparieren. Sie klettern die lange Leiter hinauf, der Vater vorneweg, der Sohn hinterher. Als sie die Kirchturmspitze erreicht haben, wird dem Sohn schwindlig, oder er macht einen falschen Tritt. Jedenfalls kommt er ins Schwanken und droht hinunterzufallen, ja, er kippt auch schon, aber im letzten Moment packt er den Fuß des weiter oben stehenden Vaters. Und der … , der schüttelt ihn ab. Der Junge stürzt in die Tiefe, schlägt auf, ist tot. Man hat das Geschehen von unten aus beobachtet, und nachdem nun der Vater die Leiter hinabgeklettert ist, wird er mit Vorwürfen empfangen. Da erklärt er, sinngemäß: ›Als ich das schwere Gewicht an meinem Fuß spürte, gab es zwei Möglichkeiten. Entweder stirbt einer, oder es sterben zwei. Weil ich zu Haus viele hungrige Mäuler zu stopfen habe, blieb mir keine Wahl. Der Junge hätte mich mit in die Tiefe gerissen, und was wäre dann aus meiner Familie geworden?‹«
»Was für eine Geschichte!«
»Ja, und ich stelle mir vor, daß es bei euch ähnlich war.«
»Es war anders, ganz anders. Ich glaub’, auf dem Turm da oben … , also, ich bin sicher, ich hätte keinen kühlen Kopf bewahrt, sondern wäre mit Tilmann abgestürzt.«
»Vergiß nicht, es war eine andere Zeit! Das soziale Netz gab es damals noch nicht. Die Familie hatte tatsächlich vor dem absoluten Nichts gestanden. Aber nun erzähl!«
»Den Anfang kennst du, nämlich daß der alte Justus Ochels, mein Schwiegervater, zu jenen Rentnern gehörte, die in den Westen fahren durften.«
»Ja, denn auf einer solchen Reise kam er ja auch zu mir, und da gab ich ihm die Nachricht mit auf den Weg, daß ich dich und Tilmann gern bei mir hätte und daß du, dein Einverständnis vorausgesetzt, eines Tages meine Firma übernehmen solltest.«
»So war’s. Na ja, und von meinen Versuchen, eine Ausreisegenehmigung

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