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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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werden. Das minderte natürlich unsere Schnelligkeit, und doch war Eile geboten, denn wenn der, welchem das Pferd gestohlen worden war, sich in Gefahr befand, so konnte jedes Zögern ihm leicht verhängnisvoll werden.
    Glücklicherweise passierte nichts, und wir gelangten an den Beaver-Creek, noch ehe die vorhin erwähnten zwei Stunden vergangen waren.
    Der Fluß hatte nicht viel und nur seichtes Wasser; die Spur führte hüben hinein, aber drüben nicht wieder hinaus, wie wir sahen, als wir an das jenseitige Ufer kamen.
    „Das ist fatal! Was tun wir nun?“ meinte Jim. „Der Kerl muß uns sagen, wie er geritten ist; wir zwingen ihn dazu!“
    Ein rascher, verstohlener Blick, den ich in das Gesicht des Gefangenen warf, zeigte mir ein befriedigtes Aufleuchten seiner Augen. Er nahm an, daß seine Spur nun für uns verloren sei, und schöpfte daraus Hoffnung; aber er täuschte sich, denn nichts war leichter, als sie wiederzufinden. Er war jedenfalls drüben in den Fluß geritten; es fragte sich nur, ob ab- oder aufwärts von der Stelle, an welcher wir hielten. Jedenfalls hatte er das Wasser schräg durchquert; vielleicht war er gar eine ganze Strecke im Wasser fortgeritten, ehe er es verlassen hatte. Um dies zu erfahren, brauchte ich nur nach der Stelle zurückzukehren, wo er an das diesseitige Ufer gekommen war. Ich tat es, stieg vom Pferde und ging in das Wasser, langsam und vorsichtig, um es nicht zu trüben. Es war klar und seicht, kaum drei Fuß tief, so daß ich auf den Grund sehen konnte. Aufwärts war nichts zu erkennen; aber als ich mich hierauf abwärts wendete, bemerkte ich die Hufstapfen des Pferdes mit genügender Deutlichkeit. Er war von unten heraufgekommen und, natürlich um seine Fährte unauffindbar zu machen, eine bedeutende Strecke weit im Wasser geritten. Der Ort, an welchem er hineingeritten war, lag wohl zweihundert Schritte von der Stelle entfernt, wo er es verlassen hatte und jetzt als Gefangener am andern Ufer bei den Snuffles hielt. Sie sahen mich, und ich winkte ihnen, herbeizukommen und mein Pferd mitzubringen. Als sie mich erreichten und ich ihnen die Fährte wieder zeigte, fragte Jim:
    „Ja, das ist Old Shatterhand! Wir hätten sie wahrscheinlich nicht wieder gefunden. Meinst du nicht, alter Tim?“
    „Yes“, nickte sein Bruder, indem ich wieder aufstieg um die Suche nun jenseits, am rechten Ufer abwärts, fortzusetzen. Das Gesicht des Gefangenen hatte sich wieder verdüstert; die kurze Hoffnung war ihm jetzt wieder abhanden gekommen. Er blickte sehr ernst und nachdenklich vor sich hin; ich merkte ihm an, daß er mit sich zu Rate ging. Welchen Erwägungen er sich hingab, konnte ich natürlich nicht wissen, war aber überzeugt, daß wir es bald erfahren würden.
    Die Spur führte zunächst am Fluß hinunter und dann in beinahe rechtem Winkel von ihm ab, durch ziemlich dichten Busch und Wald; dann wendete sie sich nach links, bis wir an einen Bach kamen, an dessen Ufer sie aufhörte. Jenseits dieses Baches gab es eine freie Stelle, deren Gras niedergetreten war. Ich stieg vom Pferd und untersuchte den Grund des Wassers; es waren da die Eindrücke von Pferdehufen zu sehen.
    „Es scheint, daß da drüben Reiter gelagert haben; meinst du nicht, alter Tim?“ fragte Jim Snuffle seinen Bruder.
    „Yes“, antwortete dieser.
    „Wer mag es gewesen sein? Denkt Ihr, daß wir es erfahren werden, Mr. Shatterhand?“
    „Ich hoffe es. Es ist für uns sehr wichtig zu wissen, wer sich vor zwei Stunden hier befunden hat“, erklärte ich.
    „Vor zwei Stunden? Nehmt es mir nicht übel, wenn ich meine, daß es länger her ist! Seht Euch nur das Gras an!“
    „Ich sehe es.“
    „Well! Da Ihr es seht, so müßt Ihr doch bemerken, wie fest es niedergetreten gewesen ist. Ich nehme an, daß man hier die ganze Nacht gelagert hat.“
    „Das denke ich auch.“
    „Schön! Unter solchen Verhältnissen aber richtet sich das Gras nicht so rasch wieder auf, als wenn es nur kurze Zeit niedergedrückt wurde. Darum meine ich, daß dieser Platz seit länger als zwei Stunden verlassen worden ist.“
    „Sehr richtig; aber Ihr scheint nicht alles gesehen zu haben.“
    „Was nicht?“
    „Als die Leute, welche seit gestern abend hier lagerten, den Platz verlassen hatten, kamen andere nach, und diese sind erst seit zwei Stunden wieder fort.“
    „Andere? So denkt Ihr, daß wir es mit zwei verschiedenen Trupps zu tun haben?“
    „Allerdings.“
    „Dann sind Eure Augen schärfer als die meinigen, worüber man sich

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