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PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel

Titel: PR Andromeda 05 - Der Schattenspiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Borsch
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Kapitel 1
    Der Tag war gut.
    Masquin sah von der erhöhten Lounge - dem traditionellen Rückzugsort der Hadur ker Meiir, der Freunde der Fremden - auf die Empfangshalle von Voteney-Nord. Er hatte die fleischigen Hände auf das Geländer gelegt, das Kinn auf sie abgestützt, und genoss das beruhigende Kitzeln von Tikils Schuppenhaut am Ohr. Es brauchte Muse, um den Anblick, der sich ihm bot, in seiner ganzen Tragweite aufzunehmen.
    Im mehrere hundert Meter durchmessenden Oval der Rohrbahnstation drängte sich eine Unzahl von Tefrodern. Männer, Frauen und Kinder -manchmal vier oder sogar fünf Generationen in einer Blüte! - saßen und lagen auf hastig geschnürten Bündeln, wuchtigen Antigravkoffern und gepanzerten Containern, voll gestopft mit Habseligkeiten. Der Boden des Bahnhofs reichte längst nicht mehr aus, um die Menschenmassen aufzunehmen. Immer mehr Flüchtlinge erhoben sich auf ihren Antigravkoffern über die Menge. Von Zeit zu Zeit kam es zu zischenden Entladungen, wenn ein Unvorsichtiger die Prallfelder berührte, die die Behörden über der Halle aufgebaut hatten.
    Immer wieder brachen Streitigkeiten los - um ein Handtuchbreit Platz auf dem Hallenboden, um die Rangfolge in einer der Schlangen an den von der Hauptstadtpolizei abgeriegelten Ausgängen oder unerfindliche Nichtigkeiten. Die Enge, Ungewissheit und Angst suchten ihr Ventil. Die Sicherheitskräfte in ihren grünen Uniformen griffen schon seit Tagen nicht mehr ein und sorgten lediglich dafür, dass die Woge der verzweifelten Landbewohner nicht in die Straßen der Hauptstadt schwappte.
    Masquin hob den Kopf, strich geistesabwesend über Tikils glatte Schuppen und gähnte herzhaft. Er würde dafür sorgen, dass zumindest ein kleines Rinnsal den Weg nach draußen fand.
    Der gedrungene Tefroder trank einen Schluck Byar-Tee. Einen köstlichen Augenblick lang genoss er die Vielfalt des Geschmacks an seinem Gaumen, eine Kombination aus fruchtiger Süße und vergorener Säuerlichkeit. Seiner geschulten Zunge entging keine Nuance, auch nicht der metallische Unterton im Abgang. Seit ihn ein ungnädiges Schicksal zum Rofter gemacht hatte, schien sich sein Geschmackssinn mit jedem Tag zu verfeinern. Ein geringer Trost nur, aber in Zeiten wie diesen, die den Hadur eine unerhoffte Flut von Wohlstand bescherten, konnte er ihn auskosten.
    Ein Zug fuhr ratternd in den Bahnhof ein. Unter der verbeulten Außenhaut verbarg sich eine intakte Druckzelle, die die Passagiere im QuasiVakuum der Röhren schützte. Die Rohrbahn ging zurück auf die Gründerväter Tefrods - und in dem abgegriffenen Scherz, dass seitdem niemand mehr auch nur eine einzige abgewetzte Münze in das System gesteckt hatte, lag mehr als nur ein Körnchen Wahrheit. Jahrtausende lang war die Rohrbahn das Revier der Habenichtse gewesen, eine Art technisches Museum, das man nur deshalb in Betrieb belassen hatte, weil es mehr Mühe gemacht hätte, es auszurangieren.
    Das hatte sich jetzt, da die Kastuns bereits seit über drei Wochen ihren Schatten auf den Planeten warfen, geändert. Wie so vieles anderes.
    Masquin verfolgte, wie sich die Drucktüren des Zugs öffneten und ein neuer Strom Verzweifelter in den Bahnhof ergoss. Die Flüchtlinge auf dem Bahnsteig, die Passagiere des vorherigen Zugs, versuchten vergeblich, sich ihm entgegenzustemmen. Sie wurden langsam, aber unerbittlich in die Empfangshalle abgedrängt. Empörte Schreie stiegen aus dem unablässigen Brei der Stimmen auf, als die Flüchtlinge in der Halle feststellen mussten, dass selbst der winzige Platz, den sie sich in den letzten Stunden erkämpft hatten, nicht zu halten war.
    Masquins runde Augen verengten sich zu Schlitzen, als er den Bahnsteig eingehender musterte.
    »Sieh nur, Tikil«, murmelte er. »Die Konkurrenz.« Der Symbiont antwortete mit einem schrillen Pfiff und einem neckischen Biss in das Ohrläppchen des Hadurs. Masquin wartete darauf, dass sich in seinen Gedanken ein Bild formte, aber nichts geschah. Der Biss war nur eine Geste der Zuneigung gewesen.
    Einige der übrigen Hadur hatten sich auf dem Bahnsteig versammelt -der von Amphetaminen zu einem Muskelberg aufgeschwemmte Lenkwor; der elegante Dempat, der von sich behauptete, früher einen Kreuzer der Heimatflotte befehligt zu haben; Nilaan mit ihren übergeschmeidigen, schlangengleichen Bewegungen - und studierten die Menge auf der Suche nach lohnender Beute.
    Masquin ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er betrat die Bahnsteige nie. Die Tefroder aus den

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