Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
nicht tot wären, mir nicht ein Zeichen ihres Lebens geben?“
    „Sie können es nicht, weil sie nicht wissen, wo du bist.“
    „Sie hätten forschen müssen, bis sie mich fanden!“
    „Wahrscheinlich haben sie das getan; aber du mußt bedenken, daß du nichts von dir hören lassen durftest. Wie sollten sie dich da finden?“
    „Das ist wahr, Effendi.“
    „Vielleicht haben sie auch gar nicht nach dir geforscht, weil sie dich für tot hielten. Sie mußten doch erfahren, daß du erschossen worden seist!“
    „Sie konnten von den Soldaten, welche mich geschont hatten, das Gegenteil erfahren!“
    „Hätten diese davon sprechen dürfen?“
    „Zu meinem Weib und ihren Eltern? Jedenfalls, denn diese hätten nichts verraten.“
    „Aber wie kannst du denken, daß die Deinen auf den Gedanken hätten kommen sollen, zu den Angehörigen deiner Kompanie zu gehen, um zu fragen, ob man, um dich zu retten, vielleicht nicht auf dich gezielt habe! Und wenn ihnen Gott selbst diesen Gedanken eingegeben hätte, so wußten sie doch nicht, welche Soldaten es waren, die man zu eurer Exekution kommandiert hatte. Sie hätten sich hin und her erkundigen müssen, und das wäre aufgefallen und hätte Argwohn erregt. Bedenke das!“
    „Daran habe ich allerdings noch nicht gedacht!“
    „Du hast die Ansicht gehabt, daß sie ermordet worden seien; ich aber will einmal annehmen, dies sei nicht wahr. In diesem Fall sind sie vor dem Pöbel geflohen, welcher die Schiiten ebenso wie die Christen bedrohte. Als die Straße, in welcher sie wohnten, geplündert und niedergebrannt wurde, befanden sie sich bereits in Sicherheit, vielleicht außerhalb der Stadt; es ist auch möglich, daß sie unter den Tausenden waren, welche Abd el Kader in das Kastell und in sein Haus rettete. Im ersteren Fall durften sie sich nicht eher in die Stadt zurückwagen, und im letzteren Falle konnten sie das Kastell oder das Haus des Algeriers nicht eher verlassen, als bis wieder Ruhe eingetreten war; da aber warst du schon tot, das heißt offiziell erschossen und begraben. Als sie sich wieder sehen lassen durften, erfuhren sie das. Es gab für sie keine Ahnung einer Ursache, an deiner Hinrichtung zu zweifeln; sie mußten sie als vollendetes Faktum hinnehmen. Siehst du das nicht ein?“
    „Effendi, wenn du in dieser Weise sprichst, ist es mir unmöglich, dir ein Wort zu widerlegen.“
    „Also weiter! Hätten sie etwa um Öffnung des Grabes bitten sollen, um nachzuschauen, ob du auch wirklich drin liegst? Selbst wenn sie auf diese kühne Idee gekommen wären, man hätte sie wenigstens ausgelacht oder gar noch Schlimmeres getan. Nein, die Angelegenheit ist so einfach wie nur möglich verlaufen: Sie erfuhren deinen Tod; sie haben aufrichtig und tief um dich getrauert, was sie vielleicht heut noch tun, und dann – – – was denkst du wohl, was sie dann getan haben werden?“
    „Das kann ich nicht wissen.“
    „Wissen nicht, aber vermuten. Du hast ja erzählt, was viele, viele der Geretteten taten, als sie sich wieder öffentlich zeigen durften.“
    „Sie zogen von Damaskus fort.“
    „Richtig. Sie trauten der erzwungenen Ruhe nicht, welcher leicht ein neues und noch größeres Blutbad folgen konnte. Warum soll grad dein Schwiegervater sich sicherer gefühlt haben als andere Schiiten oder Christen?“
    Der Bimbaschi rückte höchst unruhig auf seinem Sitz hin und her. Es war gerade zum Verwundern, daß er noch nie dieselben Gedanken wie jetzt ich gehabt hatte. Endlich antwortete er:
    „Höre, Effendi, jetzt glaube ich selbst, daß der Vater meiner Frau, falls sie nicht umgebracht worden sind, nicht länger, als unumgänglich nötig war, in Damaskus geblieben ist.“
    „Und meinst du, daß er es fertiggebracht hätte, nur allein seine Frau mitzunehmen?“
    „Nein; er hat auf alle Fälle mein Weib und meine Kinder mitgenommen.“
    „Aber wohin?“
    „Wer kann das wissen!“
    „Ich sage wieder wie vorhin: Man kann es nicht wissen, aber doch vermuten. Denke nach!“
    „Hm! Ich an seiner Stelle wäre unbedingt nach Beirut gezogen.“
    „Warum?“
    „Weil er vorher dort gewohnt hatte und glücklich gewesen war.“
    „Aber ich an seiner Stelle hätte das nicht getan!“
    „Aus welchem Grunde?“
    „Weil der Aufstand gegen die Andersgläubigen grad im und am Libanon begonnen und dort die weitesten Kreise gezogen hatte. Die Ruhe war nur infolge des Zwangs eingetreten. Beirut liegt inmitten dieses gefährlichen Gebietes. Brach die Empörung von neuem aus, so

Weitere Kostenlose Bücher