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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wie ich vielleicht mit Recht vermute, ein Freund und Verbündeter deines Säfir, und es würde mich gar nicht wundern, wenn ich bei einer Begegnung mit dem einen auch den andern mit vor meine Fäuste bekäme. Es würde mich herzlich freuen, wenn mir da die Freude würde, die freundliche Zuneigung, welche der Säfir bisher dir gewidmet hat, auf mich zu lenken, denn ich denke, daß ich schnell mit ihm fertig würde.“
    „Effendi, du hast sehr viel Selbstvertrauen, vielleicht zu viel!“
    „Das glaube nicht! Wer sich mehr zutraut, als er kann, der ist ein eingebildeter Mann; wer sich aber weniger zutraut, als er kann, der ist ein schlechter Mann. Ich bilde mir nichts ein, will aber auch kein schlechter Mann sein. Man muß sich genau kennen, und diese Selbstkenntnis ist freilich nicht leicht zu erlangen; man erwirbt sie durch den Kampf mit widerwärtigen Verhältnissen, mit feindlichen Personen und – und das nicht zum wenigsten – im Kampf mit sich selbst. Je kaltblütiger man sich dabei verhält, desto leichter und schneller wird man Sieger und desto sicherer gelangt man zur Erkenntnis seiner selbst. Hat man diese aber einmal erworben, so kann man seine eigne Kraft getrost mit den Kräften anderer vergleichen und dann nach dem Ergebnisse dieser Vergleichung handeln. Wer beim berechtigten selbstbewußten Wort eines andern die Nase rümpft und von Hochmut spricht, der kennt den hohen Wert des Selbstvertrauens nicht, weil er selbst kein wahres Vertrauen zu sich hat, obgleich er wohl im stillen oder auch lauter von sich sagt, er sei ein tüchtiger Kerl.“
    „Das war eine Rede, die du nicht dir, sondern mir gehalten hast, Effendi; das weiß ich wohl. Aber ich bin ein alter Mann; du bist noch jung, und dir wurden nicht die, welche dir die Liebsten auf Erden waren, durch den blutigen Mord aus den Armen gerissen.“
    „Ich habe trotzdem soviel wie du, ja vielleicht noch mehr verloren; aber wem der Herrgott in seiner Weisheit nimmt, dem gibt er doppelt wieder. Freilich, wer es nicht versteht, die Hand danach auszustrecken und zuzugreifen, der wird nicht von dem reichen Ersatz und der Heilung aller seiner Wunden reden können. Und wenn du klagst, daß dir alle deine Lieben durch den Tod entrissen worden seien, so frage ich dich: Kannst du denn wirklich, wirklich und wirklich behaupten, daß sie tot sind?“
    „Effendi!“ fuhr er auf. „Willst du mit meinem Herzen, mit meinem Gram ein grausames Spiel treiben?“
    „Nein. Vor einem solchen Beginnen möge mich Gott behüten! Denke nicht, daß ich dir diesen Gedanken in frevlem Leichtsinn in die Seele werfe! Ich weiß gar wohl, was ich tue! Indem ich jetzt zu dir rede, ist jedes Wort vorher bedacht und hat darum ein schweres Gewicht.“
    „Aber wie kommst du dazu, meine Toten zu den Lebenden zu zählen?“
    „Habe ich das getan?“
    „Ja.“
    „Nein. Ich habe nur gefragt, ob du behaupten, also beweisen kannst, daß sie wirklich tot sind. Kannst du das?“
    „Ja und – – – doch auch nein.“
    „Nicht ja, sondern bloß nein! Hast du ihre Leichen gesehen?“
    „Nein.“
    „Überreste ihrer Körper gefunden?“
    „Nein.“
    „Sprachst du mit Leuten, welche vollgültige Zeugen ihres Todes waren?“
    „Wieder nein. Man erzählte mir von der Ermordung, aber niemand war selbst dabeigewesen; niemand hatte die Tat mit eigenen Augen gesehen.“
    „Und doch glaubst du so fest daran? Ich an deiner Stelle hätte nach unumstößlichen Beweisen gesucht!“
    „Effendi, treib mich nicht zur Selbstanklage! Mach mir das Herz nicht noch schwerer, als es während aller dieser Jahre war und auch heut noch ist!“
    „Ich möcht es dir im Gegenteil erleichtern. Du hast uns jene Ereignisse in Damaskus nur ganz kurz erzählt. Denke nach! Es werden sich in dem bisher herrschenden Dunkel Stellen finden, welche lichter sind und dir vielleicht Grund zur Hoffnung bieten. Hast du denn wirklich noch gar nie nachgedacht, sondern alles als so selbstverständlich und für immer abgeschlossen hingenommen?“
    „Oh, ich will dir doch gestehen, daß es Stunden gegeben hat, in denen ich an der Wahrheit dessen, was ich bisher für unumstößlich hielt, zweifeln wollte; aber wie sehr ich mich dann auch bemühte, einen einzigen Grund zu finden, der meinem Anker einen Halt bieten könnte, immer kehrte dieser, mir meinen Kummer wiederbringend, vergeblich aus der Tiefe zurück.“
    „So wirf ihn nur von neuem aus!“
    „Das nützt mir nichts! Sag doch selbst: Würden die Meinen, wenn sie

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