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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Wunder, daß mir dieser Streich gelang! Nun hatte ich wieder Büsche zwischen ihnen und mir und konnte mich aufrichten. Zunächst fort, nur fort! Ich nahm den steif gefesselten Mann, der keinen Laut von sich gab, auf die Schulter und eilte fort, so weit, bis ich mich sicher fühlte. Da legte ich ihn auf den Boden nieder, zog das Messer, zerschnitt die Riemen, mit denen er gebunden war, und sagte:
    „Ihr seid frei. Steht auf, und versucht einmal, ob Ihr gehen könnt.“
    „Frei?“ antwortete er in fremd klingendem Englisch. „O Allah! Ihr seid kein Indianer?“
    „Nein; ich bin ein Weißer. Ich kam, Euch zu befreien, ahnte aber nicht, daß dies in der Weise geschehen könne, wie es jetzt gelungen ist.“
    Nun erst richtete er sich langsam auf, nahm meine beiden Hände und sagte:
    „Frei, frei, frei soll ich sein! Ist das wahr, ist das möglich?“
    „Ihr seht es ja! Ihr seid nicht mehr gebunden!“
    „Allah, Allah, Allah! Frei bin ich, frei, erlöst, errettet von diesen Teufeln! Sagt mir, wer Ihr seid! Ich muß wissen, wem ich das zu danken habe!“
    „Das später. Jetzt vor allen Dingen fort, schnell weiter fort! Hört Ihr die Roten heulen? Sie haben bemerkt, daß Ihr fehlt, und werden nach Euch suchen. Wir dürfen keinen Augenblick verlieren. Also versucht, ob Ihr gehen könnt!“
    Er tat einige Schritte, wankte aber und erklärte dann:
    „Es geht nicht, Sir. Ich bin so scharf gefesselt gewesen und fühle meine Füße nicht. Wenn ich gehen will, falle ich um.“
    „Ich kenne das. Es ist, als hätte man keine Füße, und wer keine Füße hat, der kann eben nicht laufen.“
    „Aber wie komme ich fort von hier? Soll ich mich wieder fangen lassen!“
    „Nein. Ich trage Euch.“
    „Tragen? Einen so schweren Mann, wie ich bin!“
    „Pshaw, das ist das wenigste! Hauptsache ist, daß ich die Hände frei haben muß, denn es gilt diese steile Höhe zu erklettern. Ich nehme Euch also auf den Rücken, und Ihr haltet Euch fest, indem Ihr Eure Arme um meinen Hals legt. Kommt!“
    Ich steckte die zerschnittenen Riemen ein, welche nicht von den Indianern gefunden werden sollten. Er wollte sich trotz der Gefahr, welche das Zaudern für uns hatte, aus Höflichkeit noch sträuben, von mir getragen zu werden; ich machte aber kurzen Prozeß, nahm ihn hinten auf, und dann ging es so schnell wie möglich die Höhe empor, wobei ich mir die Mühe gab, so wenig wie möglich tiefe Fußeindrücke zu hinterlassen. Oben angekommen, ließ ich ihn los, und er meinte, daß er nun vielleicht, wenn auch nur langsam, gehen könne; erfühle seine Füße wieder. Die Blutzirkulation hatte sich also wiedereingestellt.
    Zunächst blieben wir noch halten, und ich horchte in das Tal hinab. Es herrschte tiefe Stille unten; die Roten hatten ja mit der Vermutung zu rechnen, daß noch mehr Weiße in der Nähe seien; sie durften also ihre Nachforschungen nur im Finstern vornehmen und konnten darum die Spur, welche ich zurückgelassen hatte, nicht entdecken. Diese war morgen früh wohl nicht mehr zu sehen, und so mußte ihnen das Entkommen des Gefangenen ein unlösbares Rätsel sein, wenn sie nicht etwa durch eine Unvorsichtigkeit der Snuffles etwas über meine Anwesenheit erfuhren.
    Daß ich alles daransetzen würde, diese letzteren, und mit ihnen natürlich auch die andern Weißen, zu retten, das versteht sich ganz von selbst. Wie dies anzufangen sei, darüber war ich schon jetzt im klaren. Heute war selbstverständlich nichts mehr anzufangen.
    Es zeigte sich, daß der Fremde gehen konnte, allerdings langsam, wie er gesagt hatte; aber wir brauchten uns ja nicht zu beeilen, weil wir nicht verfolgt wurden. Als er mich jetzt wieder bat, ihm meinen Namen zu nennen, antwortete ich:
    „Man heißt mich hier im Westen gewöhnlich Old Shatterhand; nennt mich auch so, Sir. Und Ihr? Seid Ihr vielleicht Mr. Dschafar?“
    „Ja – aber Ihr kennt meinen Namen? Wie kommt denn das?“
    „Ich habe ihn von Perkins, Eurem Führer, gehört.“
    „Wann?“
    „Heute.“
    „So habt Ihr ihn heute gesehen? Er ist nicht verunglückt? Ich glaubte ihn verloren.“
    „Sagt mir zunächst, was Ihr von ihm haltet! Was ist er für ein Mensch?“
    „Ich habe bisher keine Ursache gehabt, über ihn zu klagen.“
    „So ist er also wohl nicht so schlimm, wie ich dachte. Kommt, wir müssen weiter! Während wir gehen, werde ich Euch erzählen, wie ich ihn kennengelernt habe.“
    Ich nahm ihn bei der Hand, um ihn zu führen, denn wir mußten durch den Wald. Während wir

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