Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
ergeben.“
    „Wenn aber kein solcher Augenblick kommt?“
    „So führe ich ihn herbei. Ich glaube, für zwei passende Gelegenheiten sorgen zu können; eine von ihnen muß ergriffen und benutzt werden.“
    „Welche sind das?“
    „Eine halbe Tagreise zwischen hier und dem Makik-Natun liegt ein Regenbett, welches im Frühjahr so viel Wasser führt und während der übrigen Zeit so viel Feuchtigkeit besitzt, daß dort ein Wald entstanden ist. Ich nehme mit Sicherheit an, daß die Indianer ihren Ritt dorthin richten, um ihre Pferde dort ausruhen, trinken und grasen zu lassen. Anderswo fänden sie keinen solchen Platz. Vielleicht finden wir dort Gelegenheit, die Gefangenen zu befreien.“
    „Wenn aber nicht?“
    „So bleibt uns freilich nichts übrig, als den Roten bis zum Makik-Natun zu folgen, wo die Gelegenheit sich dann unbedingt finden muß, und wenn ich sie bei allen Haaren herbeiziehen sollte.“
    „Ihr seid ein couragierter Mann, Mr. Shatterhand. Wagt ja nicht gar zuviel!“
    „Was ich wage, das wage ich für mich. Euch werde ich nicht zumuten, Euer Leben auf das Spiel zu setzen.“
    „Ist Euch denn das Regenbett bekannt, von dem Ihr spracht?“
    „Ja; ich war schon dort, wenn auch nicht von hier aus.“
    „Nicht von hier? So können wir es ja sehr leicht verfehlen!“
    „Das sagt Ihr und wollt ein Scout, ein Führer sein? Old Shatterhand hat sich noch nie verirrt; er ist stets dahin gekommen, wohin er kommen wollte!“
    Dies war eine Bemerkung, welche ihn veranlaßte, die Unterhaltung nicht weiter fortzusetzen. Dafür begann Dschafar mir zu erzählen, wie er von den Roten überfallen ward. Er hatte sich verteidigt und mit seinen Kugeln zwei Indianer getroffen. Daher das Blut, welches wir gesehen hatten. Dafür war er viel fester gefesselt worden als die andern, und für einen qualvolleren Tod bestimmt. Hieran schloß er eine Beschreibung der Behandlung, welche ihm zuteil geworden war und eine Schilderung des Glücks, welches er nun empfand, wieder frei zu sein. Er sprach englisch, aber in einer so blumenreichen Weise, daß ich ihn für einen Orientalen gehalten hätte, auch wenn mir noch nichts über ihn gesagt worden wäre.
    Wir unterhielten uns längere Zeit miteinander. Ich hätte gern Näheres erfahren, da er aber seine Verhältnisse nicht von selbst berührte, so hielt ich es nicht für angezeigt, ihn nach denselben zu fragen. Ein gebildeter Mann war er jedenfalls, gebildet nicht nur nach orientalischem sondern sogar nach europäischem Begriff. Er mußte sich wohl längere Zeit im Abendland aufgehalten haben.
    Später hielten sich beide zusammen, und während ich voranschritt, sprachen sie, wie es schien, von mir, denn sie dämpften zuweilen ihre Stimmen zum Flüsterton und blieben auch weiter hinter mir, als sie wohl getan hätten, wenn ich nicht der Gegenstand ihres Gesprächs gewesen wäre.
    Perkins bot mir einigemal mein Pferd an; da ich aber nicht müde war, konnte er es behalten. So verging die Nacht, und der Morgen brach an. Als es so hell geworden war, daß wir uns sehen konnten, sagte er:
    „Jetzt werden die Comanchen nach uns suchen und die Maultiere finden, Sir.“
    „Gewiß. Und da es feucht im Walde ist, sind unsere Fußstapfen nicht mehr zu sehen. Je feuchter das Gras oder Moos ist, desto eher richtet es sich wieder auf. Sehen die Roten keine Spur, so nehmen sie an, daß die Snuffles keine Begleiter gehabt haben, und forschen nicht weiter nach.“
    „Aber nach Mr. Dschafar werden sie suchen!“
    „Auch nicht allzulange. Sie könnten ihn doch nur in dem Fall wieder ergreifen, wenn sie seine Fährte fänden. Da dies aber, wie ich voraussetze, nicht der Fall ist, so werden sie nicht viel Zeit auf eine Mühe verwenden, von der sie sich sagen müssen, daß sie fruchtlos ist.“
    „Ich möchte bemerken, daß sie sein Verschwinden nicht begreifen können und darum ganz begierig darauf sein werden, eine Erklärung zu finden.“
    „Unter gewöhnlichen Verhältnissen würden sie allerdings wohl die ganze dortige Gegend nach ihm absuchen; aber wir wissen ja, was sie vorhaben und daß sie eilen müssen. Sie dürfen nicht warten, bis die Ansiedler, die sie überfallen wollen, dies ahnen oder gar davon Wind bekommen. Darum werden sie den ihnen auf eine so rätselhafte Weise entwischten Mann lieber laufen lassen, als daß sie eine lange, nutzlose Suche nach ihm veranstalten. Wie ich diese Roten und ihre Gewohnheiten kenne, werden sie höchstens die ersten zwei Tagesstunden darauf verwenden

Weitere Kostenlose Bücher