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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Da ist die Fährte alle! Siehst du das nicht auch, alter Tim?“
    „Yes“, nickte der andere. „Aber wo ist der Kerl?“
    „Wie weggeblasen!“
    „Da müßte jemand da sein, der ihn fortgeblasen hat, alter Jim. Man sieht aber auch so einen nicht. Ist mir noch nie passiert!“
    „Mir auch nicht. Aber schau, dort führen Hufstapfen hinter das Gebüsch. Der Kerl wird sich dort versteckt haben.“
    „Nein. Richte deine gesegneten Augen hier herunter! Da ist er abgestiegen und nach dem Wasser gegangen, wo er –“
    Er hielt inne, folgte meinen Fußeindrücken mit den Augen, bis sie an der Stelle, wo ich lag, haften blieben, und fuhr dann fort:
    „Alle Teufel! Dort liegt er im Gras und rührt sich nicht! Meint er etwa, daß es hier im wilden Westen kein Pulver und kein Messer gibt? Hält da Mittagsruhe, als ob er daheim auf dem Kanapee läge und nicht jenseits des Mississippi, wo die Comanchen herumstreifen wie Wölfe, die nach Beute heulen. Komm, wollen ihn aufwecken!“
    Sie lenkten ihre Tiere zu mir heran. Ich sah ihnen mit offenen Augen entgegen, woraus sie erkennen mußten, daß ich nicht geschlafen hatte. Darum sagte der mit der Schmarre:
    „Good day, Mann! Seid Ihr ein unvorsichtiger Mensch! Macht eine Fährte, die man drei Meilen weit erkennen kann, und legt Euch am Ende derselben ruhig in das Gras, sodaß es jedem Roten kinderleicht werden müßte, Euch aufzufinden und auszulöschen. Ein Westmann scheint Ihr also keinesfalls zu sein!“
    Infolge seiner sonderbaren Riesennase hatte seine Stimme jenen eigenartigen Klang, welcher der Grund zu dem Namen Snuffle war. Er musterte mich mit einem forschenden, aber keineswegs übelwollenden Blick, den ich ruhig aushielt, und fuhr dann fort:
    „Nun, habt Ihr keine Antwort für mich?“
    „O doch; aber ich wollte Euch nicht widersprechen“, antwortete ich.
    „Widersprechen? Möchte wissen, woher Ihr das Zeug zum Widerspruch nehmen wolltet!“
    „Aus Euern Worten, Sir.“
    „Ah! Wirklich? Wieso?“
    „Ihr nanntet mich unvorsichtig, ohne den geringsten Grund dazu zu haben. Wenn jemand diesen Vorwurf verdient, so seid ihr es.“
    „Wir? Wetter! Möchte wirklich wissen, wie Ihr das beweisen wollt!“
    „Sehr einfach. Meint Ihr denn wirklich, daß ein Roter, der auf meiner Spur käme, mich so leicht auslöschen könnte?“
    „Natürlich!“
    „Oho! Ich würde ihn kommen sehen, und er bekäme meine Kugel, ehe er nur wüßte, an welche Stelle ich liege.“
    „Meint Ihr wirklich?“
    „Jawohl. Ihr selbst wart ja nur ein paar Schritte von mir entfernt, als Ihr mich endlich saht. Ich hätte Euch also zehnmal so wegblasen können, wie Ihr glaubtet, daß ich weggeblasen sei.“
    Da richtete er einen erstaunten Blick auf seinen Bruder und sagte zu ihm:
    „Dieser Mann hat nicht unrecht; meinst du nicht, alter Tim? Er spricht fast wie ein Buch, obgleich er gar nicht so klug aussieht. Hätte uns wirklich ganz leicht wegputzen können, wenn es Feindschaft zwischen uns und ihm gäbe und“ – fügte er mit Betonung hinzu – „wenn er ein Westmann wäre.“
    „Yes. Ein Westmann aber ist er nicht“, antwortete Tim in sehr bestimmtem Ton, indem er mich mit einem wohlwollend bedauernden Blicke betrachtete. „Wird irgendein verirrter Settler sein.“
    „Jawohl; das sieht man ja mit dem ersten Blick. Wollen uns seiner annehmen und ihn auf den richtigen Weg bringen. Sich hier im fernen Westen zu verirren und von den Comanchen ergriffen zu werden, ist keineswegs das höchste der Gefühle. Inzwischen können wir hier auch ein wenig ruhen; der Platz ist nicht übel dazu.“
    Er stieg ab, setzte sich zu mir nieder, was auch sein Bruder tat, und fragte mich in jenem selbstbewußten, dabei aber freundlichen Ton, dessen sich ein Höherer einem hilfsbedürftigen Niederen gegenüber bedient:
    „Ihr habt doch nichts dagegen, daß wir Euch Gesellschaft leisten, he?“
    „Die Prärie ist für einen jeden offen, Sir.“
    „Oho! Das klingt ja genauso, als ob es Euch ganz schnuppe wäre, daß wir Euch Rat und Hilfe bringen wollen.“
    „Sehr lieb von Euch; brauche aber weder Rat noch Hilfe.“
    „Nicht?“ fragte er, indem er die Brauen emporzog und mich bedenklich ansah. „Ihr habt Euch also nicht verirrt?“
    „Nein.“
    „Kennt Euch also aus in dieser Gegend?“
    „Ja.“
    „Hm! Sonderbar! Ich wette mein Maultier gegen eine junge Ziege, daß Ihr kein Westmann seid. Woher seid Ihr denn eigentlich?“
    „Aus Deutschland.“
    „Ein Deutscher? Hm, das will ich glauben;

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