Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
1
Joséphines Schulden
»Da wären wir also in den Tuilerien«, sagte der Erste Konsul zu seinem Sekretär Bourrienne, als sie den Palast betraten, der die vorletzte Station Ludwigs XVI. zwischen Versailles und dem Schafott gewesen war. »Jetzt liegt es an uns, dort zu bleiben.«
Diese schicksalsträchtigen Worte fielen gegen vier Uhr nachmittags am 30. Pluviôse des Jahres VIII, dem 19. Februar 1800.
Auf den Tag genau ein Jahr nach dem Einzug des Ersten Konsuls in den Tuilerienpalast beginnt unsere Geschichte, die sowohl mein Buch Les Blancs et les Bleus fortsetzt (dessen Ende, wie man sich erinnern wird, Pichegrus Flucht aus Sinnamary bildet) als auch meinen Roman Les Compagnons de Jéhu (den die Hinrichtung Ribiers, Jahiats, Valensolles’ und Sainte-Hermines beschließt).
General Bonaparte – damals noch General – ließen wir in dem Augenblick zurück, als er nach seinem Ägyptenfeldzug erstmals wieder französischen Boden betrat. Seit dem 24. Vendémiaire des Jahres VII (16. Oktober 1799) war er nicht untätig geblieben.
Zuerst hatte er den 18. Brumaire inszeniert; diesen aufsehenerregenden Prozess gewann er zwar in erster Instanz, doch ein Berufungsverfahren durch die Nachwelt ist heute noch anhängig.
Danach überschritt er die Alpen wie Hannibal oder Karl der Große.
Dann gewann er mithilfe von Desaix und Kellermann zu guter Letzt die Schlacht von Marengo, die er eigentlich verloren hatte.
Darauf schloss er den Frieden von Lunéville.
Und schließlich führte er just an dem Tag, an dem er David im Tuilerienpalast die Büste des Brutus aufstellen ließ, die Anrede »Madame« wieder ein.
Den Unbelehrbaren steht es frei, weiterhin Citoyen zu sagen, doch Citogenne sagen von nun an nur noch Rüpel und Bauernlümmel. Dass im Tuilerienpalast nur feine Leute verkehren, versteht sich von selbst.
Wir befinden uns also am 30. Pluviôse des Jahres IX, anders gesagt:
am 19. Februar 1801, im Tuilerienpalast, Wohnsitz des Ersten Konsuls Bonaparte.
Wir wollen versuchen, der gegenwärtigen Generation, die bereits zwei Drittel eines Jahrhunderts von jener Epoche trennen, eine Vorstellung von diesem Kabinett zu vermitteln, in dem so viele Ereignisse ihren Anfang nahmen, und uns nach besten Kräften bemühen, mit der Feder das Porträt des sagenumwobenen Mannes zu zeichnen, der darauf sinnt, nicht allein Frankreich zu verändern, sondern die ganze Welt umzustürzen.
Das Kabinett war ein großes Zimmer, weiß gestrichen, mit vergoldeten Stukkaturen, und enthielt zwei Tische.
Der eine – ausnehmend schön – war für den Ersten Konsul bestimmt, der mit dem Rücken zum Kamin daran zu sitzen pflegte, zu seiner Rechten das Fenster. Ebenfalls zu seiner Rechten hielt sich in einem Nebenraum Duroc auf, Bonapartes persönlicher Adjutant seit vier Jahren. Durch diesen Raum gelangte man in die Schreibstube, in der Landoire arbeitete, ein treuer Bediensteter, der das Vertrauen des Ersten Konsuls genoss, und in die Prachtgemächer mit Blick in den Hof.
Wenn der Erste Konsul in seinem Sessel mit Löwenkopfornamenten, dessen rechte Lehne er so manches Mal mit dem Federmesser malträtiert, am Schreibtisch sitzt, hat er eine gewaltige Bibliothek vor Augen, von oben bis unten voller Kisten und Kartons.
Ein wenig rechts von der Bibliothek befindet sich die zweite große Flügeltür des Kabinetts. Sie führt unmittelbar in ein Paradeschlafzimmer. Aus diesem Schlafzimmer gelangt man in den großen Empfangssalon, an dessen Decke Le Brun Ludwig XIV. im Galakostüm gemalt hat. Ein zweiter Maler von fraglos geringerem Können war so frech, die Perücke des großen Königs mit einer Kokarde in den Farben der Trikolore zu verzieren, was Bonaparte so belassen hat, damit er Besucher auf diese Ungehörigkeit hinweisen und selbstgefällig äußern kann, was für Dummköpfe die Mitglieder des Konvents doch gewesen seien.
Gegenüber dem einzigen Fenster dieses großen Raumes, aus dem man in den Garten sieht, schließt sich ein Ankleideraum an, der zum Privatgemach des Konsuls führt und bei dem es sich um nichts Geringeres handelt als die persönliche Kapelle der Maria von Medici. Von dort gelangt man zu einer kleinen Treppe, die im Schlafzimmer Madame Bonapartes endet, das im Zwischengeschoss liegt.
Wie Marie-Antoinette, der sie in mehr als einer Hinsicht ähnelte, verabscheute
Joséphine die großen Prunkgemächer. Deshalb hatte sie sich im Tuilerienpalast eine kleine Zuflucht geschaffen, nicht unähnlich den Privaträumen
Weitere Kostenlose Bücher