2000 - ES
Sternenreichen.
Die Vojariden, von ES als Wesen mit kosmischer Reife eingestuft, rangierten in einer weit außen gelegenen Schicht des Modells.
Aber noch viel weiter außen siedelten Entitäten wie ES. Sie bildeten die Vorstufe zu den Superintelligenzen, aus denen wiederum die Materiequellen hervorgingen. Und über diesen, als äußerste bekannte Schicht im Zwiebelschalenmodell, gab es nur noch Kosmokraten, sonst gar nichts mehr.
ES war sich darüber im klaren, daß auch ihm in absehbarer Zeit der nächste Schritt bevorstand, der Schritt auf die Zwiebelschale der Superintelligenzen.
Eine Woge einander widerstreitender Empfindungen durchflutete die Entität.
Ahn-Visperon hatte große Schwierigkeiten, diesen Widerstreit zu deuten. ES präsentierte sich ihm mit einemmal als gespaltene Wesenheit, die aus zwei verschieden gearteten Bewußseinsinhalten bestand. Der unbekannte, selten öffentlich auftretende Bewußtseinsteil besaß einen eigenen Namen: ESTARTU.
ESTARTU verstand sich im Gegensatz zu ES als weiblich, warum auch immer, und war eine eigenständige Persönlichkeit.
War es ESTARTU, die sich gegen die Vojariden ausgesprochen hat? fragte er.
Doch Ahn-Visperon erhielt keine Antwort. Er lauschte in den mentalen Äther, der die Entität ausmachte, und er war plötzlich sicher, daß etwas anderes die Aufmerksamkeit seines Meisters beanspruchte.
Denn ES, das begriff der Vojaride nun, beherbergte noch eine dritte Kraft.
*
Die Insel der Schmetterlinge wurde von einer mysteriösen Bedrohung heimgesucht, viele Generationen nach Ahn-Visperons Körpertod.
Eine Seuche raffte die Schmetterlinge dahin, und gleichzeitig wurden die eingeborenen Halbintelligenzen von einem Wahn ergriffen, als seien Dämonen in sie gefahren. Die Vojariden der Wachstation mußten mit ansehen, wie die fernen Nachkommen von Gun und Ruu aufeinander losgingen, sich mit Steinen die Schädel einschlugen und einander die Herzen aus den Leibern rissen.
Die Vojariden fanden keine Heilung für die Epidemie. Sie konnten die Haarigen höchstens betäuben; wenn sie aber wieder zu sich kamen, tobten sie schlimmer als zuvor.
Da meldete sich ES mit dem für ihn typischen Gelächter.
Doch dieses Mal klang es anders als sonst, grollend und zornig: Ich habe ihnen das Paradies geschenkt und ihnen den Sinn des Lebens gezeigt. Ich wollte sie auf die höchsten Stufen der Evolution emporführen. Und sie danken es mir mit den schlimmsten Vergehen gegen alle mir wichtigen Werte. Vernichtet sie, Vojariden! Tötet sie alle, sie sind Abschaum!
Ejn-Golarusa, Kommandant der Wachstation, konnte nicht glauben, daß ES den Befehl wirklich befolgt haben wollte.
Die Entität wollte ihre Vojariden vielleicht nur auf die Probe stellen. ES wollte testen, ob sie nur blind gehorchende Marionetten darstellten oder ob sie kritisches Beurteilungsvermögen bewahrt hatten.
Die Eingeborenen, vom Blutrausch befallen, wurden weiterhin wie Kranke behandelt.
Ejn-Golarusa ließ sie sehr schonungsvoll außer Gefecht setzen wie bisher und anschließend medizinisch versorgen.
Er büßte seine Verweigerung mit dem Tod.
Aus heiterem Himmel durchbrach ein Blitz den Dschungel und fuhr mit einem lauten Donnerschlag in seinen Körper.
Der Kommandant blieb das einzige Opfer unter den Vojariden. Das Schmetterlingssterben endete von allein, der Wahn der Eingeborenen legte sich, und sie wurden friedlich und zugänglich wie zuvor.
Die Vorfälle auf der fernen Asylwelt sorgten jedoch für heftige Erregung in der Sphärischen Kathedrale von Ambur. Der Weisenrat rätselte über mögliche Ursachen; unzählige Spekulationen wurden angestellt, noch Monate danach, nur zufriedenstellende Antworten fanden sich nicht.
Die Vojariden beschlossen, Ahn-Visperon zu befragen, den Boten von ES.
„Was auf der Asylwelt passierte", erklärte Ahn eindringlich, „wurde nicht wirklich von ES verursacht.
Dem Wanderer wohnen leider auch negative Elemente inne, die für kurze Momente die Oberhand gewinnen konnten. Unser Meister ist eine vielschichtige und komplexe Wesenheit. Ihm sind im Lauf der Jahrmillionen die Bewußtseine von verschiedensten Charakteren zugeflossen. Dabei wurden die schädlichen, unerwünschten Elemente stets abgesondert und isoliert. Da sie jedoch nicht ausgeschieden oder eliminiert wurden, sammelten sich mit der Zeit zahllose negative Inhalte an. Die negativen Elemente bewohnen mittlerweile ein eigenständiges Bewußtseinsbecken. In seltenen Fällen kriechen die Schädlinge von
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