2003 - Blockadegeschwader
forsches Auftreten die Nervösität. Und dann einem Superhirn wie dir vorgestellt zu werden...
Hast du nicht bemerkt, daß in ihren Augen die Verunsicherung flackert?"
Sie sah skeptisch zu ihm auf. „Jetzt nimmst du mich auf den Arm, Mann! Ich bin am Boden zerstört, habe feuchte, zitternde Hände, mir ist übel, und...und du behauptest, den anderen ginge es ebenso?"
„Aber sicher doch, liegt in der Natur der Sache!" Er streckte die Hand mit dem Sektglas aus, zeigte ein ironisch übertriebenes Zittern, bei dem die perlende Flüssigkeit fast über den Rand schwappte, und fuhr fort: „Hast du nun mit NATHAN und LAOTSE gearbeitet oder nicht? Wer ist hier die hochdekorierte Expertin mit phänomenalem Ruf? Sieh es mal von dieser Seite."
Ihr grimmiger Blick erhellte sich ein bißchen. Sie nickte und sagte bedächtig: „Du bist ein guter Psychologe. Danke."
„Gern geschehen. Ausbildungsgrundlage bei Verbandskommandeuren." Er winkte ab; diesmal verschüttete er tatsächlich etwas Sekt. „Wer für mehrere tausend Untergebene die Verantwortung hat, braucht schon ein bißchen Fingerspitzengefühl und Einfühlungsvermögen. Nun ja, Ausnahmen bestätigen die Regel."
„Meinst du jemand Bestimmten?"
„Siehst du den jungen, großen, kurzgeschorenen Mann neben Pearl und Bully?"
„Diesen sportlich durchtrainierten jungen Kerl mit spitzem Gesicht und hektischer Gestik? Hhm, hat sich mir vorgestellt. Ist der Erste Pilot, Bereich Kosmonautik...
Wie hieß er doch gleich? Nichts sagen, fällt mir sofort ein. Ah, Claudio Raminios, nicht wahr?"
„Richtig. Schreibt sich zwar Rminios - als sogenannte persönliche Note! -, wird korrekt aber Raminios ausgesprochen. Er ist Pearls Stellvertreter, ihm überläßt sie die normalen Bordgeschäfte, während sie selbst wie ein lebendiges Standbild vor ihrem Sessel steht. Sie wird deshalb auch die Statue genannt...
Claudio hat sich auf der ODYSSEUS den wenig schmeichelhaften Ruf eingehandelt, die Leute herumzukommandieren. Es heißt, man habe mehrfach versucht, ihn bei Landgängen einfach zu 'vergessen'. Ist offensichtlich nicht gelungen. Er ist 36 und fachlich über jeden Zweifel erhaben. Nur das Einfühlungsvermögen läßt mitunter zu wünschen übrig. Wenn es nach ihm ginge, müßte die LFT-Flotte wieder militärische Ränge, das Siezen und die respektvolle Anredeform Sir einführen: Sir, jawohl, Sir!"
Sie kicherte unterdrückt. „Du bist bemerkenswert gut informiert."
„Buschtrommeln - du erinnerst dich?"
„Vage."
„Claudios Stellvertreterin ist Klyna Valerys, die Zweite Pilotin. Da sie während der Evakuierung am 4.
Februar 1217 auf dem Mars geboren wurde, ist sie nachweislich die letzte Marsianerin."
Critta nickte. Ihr war die nur 1,32 Meter große Frau schon aufgefallen; langes, pechschwarzes Haar umrahmte ein von Runzeln und Falten geprägtes Gesicht. Relativ alt für so ein Schiff, dachte sie.
Rudo drehte sich langsam, wies dann auf eine von mehreren Ertrusern umlagerte Ertruserin und sagte: „Reca Baretus. Meine Stellvertreterin, die die VESTA-Kreuzer kommandiert, zugleich die Leiterin der Abteilung Außenoperationen und Chefin der Landungstruppen. 44 Jahre alt, in Baretus geboren, leitet ihren Namen vom Gründer der ertrusischen Hauptstadt ab."
*
Critta musterte die klobige Riesin: Unter Standardgravitation mußte sie an die fünfzehn Zentner auf die Waage bringen; von der Profilsohle bis zur Spitze des grüngefärbten Sichelkamms maß sie gut und gerne zweieinhalb Meter, bei einer Schulterbreite von zwei Metern. Dennoch war ihr durchtrainierter Körper für eine Ertrusgeborene verhältnismäßig „schlank", sofern bei diesen Umweltangepaßten ein solcher Begriff überhaupt Verwendung finden konnte.
„So höflich und zurückhaltend sie im Privatleben ist", fuhr Rudo fort, „so konsequent ist sie als Kämpferin; kühl und überlegt, keine Draufgängerin. Als einzige Frau ihrer Art an Bord kann sie sich leider vor Verehrern nicht retten. Hast du mal erlebt, wenn Ertruser ihre Vorstellungen von romantischer Minne umzusetzen versuchen? Ständchen bei 150 Dezibel können ganz schön an die Nieren gehen, von den geschädigten Trommelfellen ganz zu schweigen..."
Der Kreuzerchef sprach derart trockenernst, daß Critta das Losprusten kaum unterdrücken konnte.
Das Bild lauthals Liebeslieder grölender Ertruser stand ihr plastisch vor Augen.
„Kann es sein, mein Lieber, daß du eine äußerst sarkastische Ader hast?"
„Praktische Intelligenz und
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