2008 - komplett
diesmal eine Zurechtweisung mehr als verdient hatte.
„Wieso?“, gab der zurück und warf ihm einen verdrießlichen Blick zu. „Was könnte sie sonst von einer Ehe abhalten? Außer natürlich, sie ist eine Xanthippe, was sein könnte, wenn man bedenkt, wie hoch erhoben sie ihr hübsches kleines Kinn hält.“
Campion stand auf, da er nicht beabsichtigte, Stephen beim Schmollen zuzusehen, nur weil Lady Warwick sich nicht wie andere Frauen von ihm hingerissen zeigte.
„Für dich ist sie sowieso zu alt“, murmelte Reynold, während er seinen Oberschenkel rieb. Die beißende Kälte hatte dem Bein sicher nicht gutgetan, doch Campion war klug genug, sich dazu nicht zu äußern.
Stephen schnaubte verächtlich. „Sie ist nicht älter als ich. Außerdem ist an einer Frau mit mehr Erfahrung nichts auszusetzen. Und als Witwe dürfte sie ohnehin genau wissen, was sie will“, fügte er anzüglich an.
„Und das bist offensichtlich nicht du“, warf Reynold ihm an den Kopf.
Campion musste ein Lachen herunterschlucken und täuschte einen Hustenanfall vor, dann begab er sich zur Treppe. Jede Frau, die von Stephen keine Notiz nahm, versprach den Saal zu beleben. Der Earl freute sich schon darauf, mehr über die faszinierende Lady Warwick zu erfahren. Seine Schritte waren beschwingter als gewöhnlich, als er zu seinen Gemächern ging. Zu seiner Überraschung wurde ihm bewusst, dass auch sein Herz beflügelt zu sein schien.
Vielleicht würde das Weihnachtsfest doch nicht so langweilig werden.
2. KAPITEL
Joy Thorncombe, besser bekannt als Lady Warwick, betrachtete bestürzt den feinen Lichtstrahl, der zwischen den Fensterläden hindurch ins Zimmer drang. Zum einen hatte sie viel zu lange geschlafen, zum anderen verhieß der trübe Schein, der sich seinen Weg in das Gemach gebahnt hatte, nichts Gutes für ihre Weiterreise.
Während sie in dem gemütlichen warmen Bett mit seinen kunstvoll verzierten Rahmen und Pfosten lag, war sie versucht, einfach dort zu bleiben und den Luxus und die relative Sicherheit von Campion Castle zu genießen. Aber sie würde nicht der Gastfreundschaft eines Mannes vertrauen, nicht einmal wenn es sich dabei um den Earl handelte, der einen tadellosen Ruf genoss. Also stand sie zügig auf und rief nach ihrer Dienstmagd.
„Roesia, steht auf! Es ist schon spät, und wir müssen uns auf den Weg machen!“
„Oh, Mylady, muss das denn sein? Ich habe noch nie in meinem Leben so gut geschlafen“, gab diese zurück und streckte sich genüsslich. „Hier ist es wirklich wundervoll.“
Dem konnte Joy nicht widersprechen. Das Schlafgemach war hübsch eingerichtet, es gab verschiedene Truhen, eine Sitzbank und sogar eine Art weichen Teppich, der auf den kalten Bodenplatten lag, sowie einen breiten Kamin, mit dem sich die Kälte gut abhalten ließ. Es war gemütlich und elegant zugleich, was den Gedanken an einen erneuten Ritt durch die Kälte und auf gefrorenen Wegen noch unerfreulicher machte. Doch sie mussten ihr Ziel schnellstmöglich erreichen, und mit dieser Aufgabe vor Augen griff sie nach ihrer Kleidung.
„Ist Euch aufgefallen, wie riesig der Saal und all diese Gemächer sind? Die sind wie für einen König geschaffen! Und erst die Speisen, die sie uns brachten, obwohl das Abendmahl bereits vorüber war! Der gewürzte Wein war köstlich. Habt Ihr von diesen kleinen Törtchen probiert, die mit Honig überzogen waren?“, fragte Roesia und seufzte leise, als sie an die Köstlichkeiten zurückdachte.
„Nein“, antwortete Joy knapp, die sich auf eine sonderbare Weise an der Begeisterung ihrer Dienstmagd für Campion störte. Auf Mallin war nie genug Geld da, um jene teuren Zutaten zu kaufen, die für solche Delikatessen notwendig waren, doch sie mussten keinen Hunger leiden, sondern bekamen reichlich zu essen.
Außerdem ist einfache Kost für die Verdauung sicherlich gesünder, überlegte Joy.
„Und das heiße Bad, das in unserem Gemach bereits auf uns wartete!“, fügte Roesia an.
„Es sind ja auch genug Diener anwesend, die den Zuber herbringen konnten“, meinte Joy, musste aber zugeben, dass es eine wirklich aufmerksame Geste gewesen war –
und eine sehr willkommene dazu, da sie von der Reise schmutzig und durchgefroren gewesen waren. Die Erinnerung daran ließ sie mit finsterer Miene an das denken, was vor ihnen lag, und sie kleidete sich umso zügiger an.
Roesia ließ sich deutlich mehr Zeit. „Ich könnte mich an ein solches Leben gewöhnen“, murmelte sie, während sie ihr
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