2008 - komplett
eingeholt haben.
Dann hörte sie von vorn ein Jagdhorn ertönen.
Sie schaute in die Richtung und entdeckte, dass sie Mountgrave fast erreicht hatten.
Soeben verließ eine kleine Armee die Burg, um ihnen zu Hilfe zu eilen. Aber die Männer waren zu weit entfernt. Sie würden zu spät kommen.
Doch als sie einen Blick über die Schulter wagte, stellte sie fest, dass die fünf Verfolger ihre Pferde zum Stehen gebracht hatten. Einer hielt einen Bogen in der Hand und legte einen weiteren Pfeil an, der genau auf Joan gerichtet war. Ein anderer Mann drückte den Bogen zur Seite, doch er warf Joan einen Blick zu, der keinen Zweifel daran ließ, dass sie später Vergeltung üben würden.
Dann ließen sie ihre Pferde kehrtmachen und ritten davon, um sich in Sicherheit zu bringen und um in Woldingham von Joans Verrat zu berichten.
Sie rutschte ein Stück nach hinten, um nicht länger auf Edmunds Rücken zu sitzen, der längst bewusstlos war, und brach in Tränen aus. Was dann geschah, nahm sie nur wie durch einen Schleier wahr, da die Erleichterung nach ihrer Todesangst eben ihr fast die Sinne raubte. Jemand hob sie auf ein anderes Pferd, dann kehrte man im Schritttempo zur Burg zurück. Sie nahm ringsum eine ernste, besorgte Stimmung wahr, doch diese Sorge galt nicht ihr.
Es war Edmund de Graves, dem diese ehrfürchtige Aufmerksamkeit galt, die die Männer im Flüsterton reden ließ. Heilige Maria, lag er vielleicht im Sterben? Welche schreckliche Wunde war für eine so starke Blutung verantwortlich? Und wie viel hatte sie zu dieser ernsten Verfassung beigetragen, indem sie auf ihm sitzend geritten war?
Als sie die Burg erreicht hatten, wurden sie von der nächsten kleinen Armee umschwärmt, diesmal bestehend aus der Dienerschaft. Einige kamen herbeigeeilt, um tatkräftig zu helfen, andere standen nur da und betrachteten mit bestürzter Miene ihren Dienstherrn. Joan, die immer noch in den Armen ihres Reiters gehalten wurde, sah mit an, wie Edmund vorsichtig von Thors Rücken gehoben wurde.
Ohne ein Wort zu sagen, tauchte er in ein Meer aus ihn umsorgenden Bediensteten ein. Womöglich unterdrückte er seinen Schmerz, weil es eine Frage der Ehre war, vielleicht aber war er auch immer noch bewusstlos. Oder tot.
Nein, nicht tot. Dann hätte längst ein lautes Wehklagen eingesetzt.
„Lord Edmund“, sagte sie zu dem Mann, der sie hielt, ein älterer Mann mit klugem, erfahrenem Blick. „Ich muss zu ihm.“
Sahen die Augen dieses Mannes zu viel? „Das ist nicht nötig, Mylady. Er ist gut versorgt.“
„Aber ...“ Sie zwang sich, nicht weiterzusprechen. Ihr Gefühl, an seiner Seite sein zu müssen, war natürlich völliger Unsinn.
„Ich bin Almar de Font, Mylady. Und Ihr, würde ich sagen, seid nicht Lady Nicolette de Montelan.“
„Joan of Hawes. Lady Nicolettes Cousine.“ Dann fügte sie hilflos hinzu: „ Der Almar de Font?“
Er verzog den Mund zu einem ironischen Lächeln. „Gäbe es noch einen anderen, Mylady, sähe ich mich gezwungen, ihn zu bekämpfen, da er meinen Namen benutzt.“
Er wandte sich ab und rief den Leuten etwas zu, die sie umgaben, dann wurde Joan behutsam vom Pferd gehoben und mit übertriebener Sorge auf dem Boden abgesetzt.
Der Reiter saß ab und stellte sich zu ihr. „Denn das Einzige, was ein Mann wirklich besitzt, Mylady, ist sein ehrbarer Name.“
Joan betrachtete die gewaltigen Mauern der Feste, die Heerscharen von Dienern, die Dutzende von Pferden, die kleine Armee aus bestens ausgebildeten Männern.
Edmund besaß einiges mehr als nur seinen Namen, doch sie fragte sich, wie viel Glück ihm seine Besitztümer letztlich bescherten.
Sie ließ sich in die Feste führen, wobei sie sich vorkam, als sei sie in eine mythische Welt geraten. Almar de Font war vielleicht sogar noch berühmter als der Goldene Löwe, denn er hatte schon eine Fülle heroischer Abenteuer erlebt, ehe er sich vor fünfzehn Jahren hier niederließ, um als Mentor und Ausbilder für die beiden verbliebenen Söhne seines Freundes und Herrn zu wirken.
Der Name Almar de Font an sich bedeutete schon Ehre, auf Leben und Tod, und Joan war davon überzeugt, er würde seinem Herrn und Schüler niemals gestatten, seine Ehre so weit zu beugen, dass er das Banner den de Montelans überlassen würde –
nicht einmal, wenn er damit Sir Geralds Leben retten konnte.
„Lady Joan!“ Plötzlich wurde sie von einer in Seide und Parfüm gehüllten Frau bestürmt, die so schnell auf sie einredete, dass Joan einen Moment
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