2008 - komplett
saß, in Karmesinrot gekleidet, mit Armreifen und einem goldenen Diadem auf seinem Haar. Er strahlte wie eine Gestalt aus Gold und Edelsteinen, die kaum etwas Menschliches an sich hatte.
Und er starrte sie an. Mit einem düsteren Blick.
Er sah die Kröte, die sie inmitten all dieser Menschen war.
Bevor sie jedoch in Panik geraten und weglaufen konnte, stützte er sich mit der linken Hand ab, um aufzustehen. Sie konnte ihm ansehen, dass die Bewegung ihm Schmerzen bereitete. Sir Almar, der gleich neben ihm war, und die zwei Diener hinter ihm streckten die Hände aus, um ihm zu helfen. Als er schließlich stand, verbeugte sich Edmund vor ihr. „Lady Joan. Willkommen in meinem Saal. Kommt, setzt Euch zu meiner Rechten hin.“
Die Panik drohte ihr die Luft zum Atmen zu nehmen, während Kleider raschelten und Stühle laut über den Boden geschoben wurden, da alle Anwesenden sich erhoben, sogar diejenigen, die an dem erhöhten Tisch saßen. Die Ritter verbeugten sich, die Damen machten einen Knicks, und alle Bediensteten beugten ihre Knie.
Wie erstarrt stand Joan da.
Sir Almar verließ rasch das Podest, kam zu ihr und geleitete sie die Stufen hinauf zu dem schlichten Stuhl rechts von Lord Edmunds Platz.
Wie benommen setzte sie sich hin, und auch Edmund ließ sich wieder auf seinem Stuhl nieder. Ihr entging nicht, dass er sich dabei von Sir Almar helfen ließ, der ihn unauffällig unter dem Ellbogen gefasst hatte. Auf seiner Stirn standen kleine Schweißperlen. Er gehörte ins Bett!
Die Gäste im Saal setzten ihre Gespräche fort und aßen weiter, doch zu viele Blicke waren nach wie vor auf Joan gerichtet.
„Ich wünschte, Ihr hättet das nicht gemacht“, flüsterte sie und hielt dabei den Kopf gesenkt, da sie nicht wusste, wohin sie schauen sollte.
Seine Hand umfasste ihr Kinn und hob ihren Kopf an, bis sie in sein bleiches Gesicht schaute. In den Edelsteinen seiner großen Ringe spiegelte sich das Licht des Feuers.
„Wir wollen Euch ehren, Lady Joan, weiter nichts.“
Als sich ihre Blicke schließlich trafen, nahm er seine Hand fort, und sie war froh darum, da sie im nächsten Moment an ihm vorbei in die kühle Miene der älteren Frau neben ihm schaute. Sie musste seine Mutter sein, die berühmte Lady Blanche de Graves, die schon vor der Heirat mit seinem Vater eine bedeutende Edeldame gewesen war. Ihr verdankte die Familie zumindest einen großen Teil ihres Reichtums und Ruhms.
Eine Frau von ihrem Schlag würde er heiraten, keine andere.
„So viel habe ich gar nicht getan, Mylord“, widersprach sie.
„Ihr habt mir das Leben gerettet, Mylady.“
„Thor hätte Euch schon in Sicherheit gebracht, und abgesehen davon wärt Ihr ohne mich gar nicht erst in Gefahr geraten.“
„Ganz im Gegenteil, Lady Joan. Ihr wärt ohne mich nicht in Gefahr geraten, und ohne mich würdet Ihr Euch nicht immer noch in Gefahr befinden.“
„Ah“, sagte sie und setzte dem verstörenden Blickkontakt mit ihm ein Ende, um sich im Saal umzuschauen. „Ihr ehrt das Opferlamm. Ich verstehe, Mylord.“
Pagen in Livree präsentierten verschiedene Speisen, aus denen Edmund wortlos etwas für ihren silbernen Teller zusammenstellte. Sie trank aus dem mit Edelsteinen besetzten Kelch und begann zu essen, da sie wie ausgehungert war. Allerdings wusste sie nicht, ob sie das Essen würde bei sich behalten können.
Versteckt platzierte Musikanten spielten friedliche, wohlklingende Melodien, die ihr unter anderen Umständen sicherlich Freude bereitet hätten.
Sie merkte, wie Edmund sich auf seinem großen, ausladenden Stuhl zurücklehnte.
„Mir bleibt jetzt keine andere Wahl, Lady Joan, als Euch gegen meinen Bruder auszutauschen.“
„Das verstehe ich.“
„Wenn Ihr Euch erinnert, dann war das der von Euch bevorzugte Weg.“
Sie hörte seinen verbissenen Tonfall. „Es ist nur eine Schande, dass ich gezwungen war, meine gespaltene Loyalität so deutlich zu zeigen.“
„Ich habe Euch zu nichts gezwungen. Vielmehr befahl ich Euch, nach Woldingham zu fliehen.“
Es war nicht zu überhören, dass ihm diese Lösung lieber gewesen wäre. Vielleicht wäre es so besser gewesen. Sie wären beide gefasst worden, aber Lord Henry hätte Edmund nicht getötet, sondern Mountgrave gezwungen, im Austausch für den Goldenen Löwen und dessen Bruder das Banner herauszugeben. Damit wäre dem Ganzen ein Ende gesetzt worden.
Nein, das stimmte nicht. Sollten die de Graves ihr Banner verlieren, würden sie einen Krieg anzetteln, um es
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