201 - Die Rachegöttin
mitbekommen, dass ich…« Er stockte und begann neu. »Ich habe in Hermannsburg versucht, über Funk Britana zu erreichen. Salisbury. London. Meinen Vater. Die Queen. Eigentlich hätte es funktionieren müssen, jetzt, da der Strom wieder fließt. Aber…«
Rulfan beendete den Satz nicht, und Matt fühlte sich wie ein Idiot. Dass er daran nicht gedacht hatte! Rulfan hatte versucht herauszufinden, was mit Sir Leonard Gabriel geschehen war!
Und nun befürchtete er, dass es dort zu ähnlichen Unruhen gekommen war.
»Es hat niemand geantwortet?«
Der Blick des Freundes sagte mehr als jedes Wort.
»Vielleicht haben sie sich gegenseitig umgebracht. Vielleicht sind sie auch an Immunschwäche gestorben, nachdem das Serum nicht mehr produziert werden konnte.« Rulfan kraulte gedankenverloren Chiras Fell. »Ich fürchte, in Britana ist niemand, der mir etwas bedeutet, mehr am Leben.«
»Das kannst du nicht wissen.« Matt ging auf den Freund zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Gib die Hoffnung nicht auf. Wir reisen nach Britana, sobald wir können. Ich bin sicher, wir finden Überlebende. Und deinen Vater.«
Rulfan rang sich ein Lächeln ab. »Vielleicht hast du Recht. Ich hätte ja auch nie damit gerechnet, dich noch einmal zu sehen, Matt. Vielleicht irre ich mich erneut. Machen wir das Feuer und sehen dann nach dem Kraftwerk. Wir könnten wirklich ein wenig Hilfe gebrauchen.«
***
Aus den Aufzeichnungen Pia Armstons, 28 Jahre nach der Verdunkelung
Ich weiß nicht, warum sie all ihr Wissen verlieren. Ich und Jo scheinen die Einzigen zu sein, die nicht im selben Umfang betroffen sind. Wir versuchen die anderen zu leiten und unsere Station so sicher wie möglich zu machen, aber es fällt uns immer schwerer. Langsam verliere ich den Glauben daran, dass wir den François Peron Nationalpark erhalten können.
Wir können ja nicht einmal das Wissen bewahren. Nelli und Tom haben das Lesen verlernt. Einfach verlernt! Wie kann das sein? Wir stehen vor einem Rätsel.
Noch schlimmer ist es an der Oberfläche. Als ich gestern mit einer unserer wenigen Halbautomatik-Waffen zum Jagen ging, warfen sich zwei Menschen vor mir nieder. Peggie und Liam Dennever. Sie hatten sich damals entschlossen, draußen zu bleiben. Die Enge der Station war nichts für sie. Jetzt verhalten sie sich wie Wilde, die das Krachen eines Gewehrs fürchten.
Es muss etwas mit der Luft zu tun haben. Wir werden versuchen, noch tiefer zu graben und die Oberfläche zu meiden. Nicht, dass es oben noch sonderlich wohnlich ist. Trotz des Elektrozauns kommen immer mehr Mutationen.
Giftspritzende Termiten und riesige Dingos, die unsere wenigen Schafe da draußen reißen. Ich weiß nicht, wie lange wir hier noch durchhalten. Unser Ende kommt später als
»Christopher-Floyd«, aber es kommt.
***
Airin pirschte an der Spitze der kleinen Gruppe durch den Wald. Sie hatte fünf ihrer Krieger mitgenommen. Die besten fünf. Marii war nicht begeistert gewesen. Erneut fragte sich Airin, warum die Anführerin der Uneska sich immer wieder quer stellte. Sie hätte schnell und entschlossen handeln sollen, und kühn bei Gefahr. Stattdessen zögerte und zweifelte die Hohepriesterin, seitdem der Stroom wieder floss. Ihr Sohn Kiras tat sein Übriges dazu. Dieser elende Feigling. Zum Glück war er nicht mit ihnen gekommen. Airin wusste sehr wohl, dass das Eindringen in das Gebiet des Paaks ihren Tod bedeuten konnte. Jemand wie Kiras hätte sie nur belastet.
Die sechs Krieger näherten sich der Opferlichtung. Sie waren noch ein gutes Stück von der Stejchon entfernt. Seitdem der Stroom wieder floss, wurde der Eingang von den Adoors bewacht. Dennoch hatte Airin gehofft, einer kleinen Gruppe von Perons könnte es gelingen, in den Paak einzudringen und sich Zutritt zur Stejchon und damit zu ihren elektronischen Waffen zu verschaffen. Aber die kleine Gruppe war nicht zurückgekehrt. Jetzt ruhte ihre Hoffnung auf dem Flugwagen.
Er musste ganz in der Nähe gelandet sein. Airin hatte es vom Felsen aus beobachtet.
Auf der Lichtung brannte ein Feuer. Ein Feuer, in dem vier Leichen lagen. Am Baum hingen noch die Reste der Stricke. Es war nicht schwer zu erraten, wen es dieses Mal erwischt hatte: Elli, Kyle, Lindon und Jajson. Airin verdrängte Trauer und Wut. Sie sah das Entsetzen in den Augen der anderen. Der Stoßtrupp war tot, wie sie es befürchtet hatte.
Zwei Männer und ein schwarzer Lupa standen bei den züngelnden Flammen. Warum hatten sie die Toten
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