2011 - komplett
Angst handelt. Und du, mein Liebling, hast dich bewundernswert verhalten.“
Zu seinem Entsetzen füllten ihre Augen sich mit Tränen. „Ich komme mir nicht bewundernswert vor oder mutig. Ich zittere immer noch am ganzen Leib und ... oh, du liebe Güte, ich glaube, ich muss weinen.“ Sie verzog das Gesicht, schmiegte sich an ihn und brach in Tränen aus, als hätte sie gerade alles verloren, das ihr lieb und teuer war.
Sebastian wusste nicht, wie er sie trösten sollte, also ging er nur so schnell wie möglich weiter und redete beruhigend, wie er hoffte, auf sie ein. Nach einer Weile hörte sie auf zu weinen, und Sebastian gab seiner Sehnsucht nach und küsste sie sanft auf die Schläfe. Er musste lächeln. „Wie ist es möglich, dass du nach allem, was du durchgemacht hast, noch immer nach Jasmin duftest?“
Ein etwas unsicheres Lachen entfuhr ihr, und auch Sebastians innere Anspannung ließ ein wenig nach. Addie sah zu ihm auf, und der Anblick ihrer wunderschönen braunen Augen war fast zu viel für ihn.
„Du willst nur galant sein“, flüsterte sie. „Ich weiß gar nicht, ob ich dich Lord Kavalier oder Lord Lügner nennen soll.“
„In diesem Fall passt nur Lord Wahrhaftig. Du duftest hinreißend, vollkommen, genau wie das mutigste Mädchen auf der ganzen Welt duften sollte.“
Es folgte Stille, bis beide fast gleichzeitig sagten: „Ich bin so froh, dass du nicht ins Wasser gefallen bist.“
Addie lächelte zaghaft und erfüllte Sebastian mit einem so überwältigenden Gefühl der Liebe für sie, dass er sich mühsam zurückhalten musste, sie ihr nicht zu gestehen und ihr nicht zu zeigen, wie viel sie ihm bedeutete – dass sie ihm alles bedeutete.
Stattdessen lenkte er den Blick wieder auf den Pfad, der zum Haus führte, und sagte neckend: „Du magst ja nach Blumen duften, aber deine Nase erinnert eher an eine reife Tomate.“
Unwillkürlich berührte sie ihre Nase. „Ich weiß. Meine Haut muss ganz fleckig sein, und meine Augen sind bestimmt rot. Ich sehe immer fürchterlich aus, wenn ich geweint habe.“
„Du siehst wunderschön aus“, sagte er mit tiefer Überzeugung. Die schönste Frau, die er kannte, trotz ihrer roten Nase, den verweinten Augen und der fleckigen Haut.
„Offenbar hast du dir auf dem Eis den Kopf gestoßen. Aber trotzdem vielen Dank.“
„Gern geschehen.“
„Andererseits hättest du mir schon ein Taschentuch anbieten können, weißt du.“ Das Funkeln ihrer Augen zeigte ihm, dass sie sich allmählich wieder zu fassen schien.
„Das hätte ich wohl tun können“, stimmte Sebastian ihr zu, „wenn meine Hände nicht damit beschäftigt gewesen wären, dich zu tragen. Solltest du es allerdings vorziehen, dass ich dich in den Schnee fallen lasse ...“ Er hob fragend die Augenbrauen.
„Nicht heute, danke“, erwiderte sie geziert und umschloss seinen Nacken fester.
Er seufzte übertrieben auf. „Na schön. Morgen also.“
„Morgen reise ich ab.“
Und mit diesen vier Wörtern löste sich die ungezwungene Stimmung zwischen ihnen in Luft auf. Es stimmte, Addie reiste morgen ab. So wie er selbst ja auch. Beide würden in verschiedene Richtungen gehen, ein Leben getrennt voneinander führen.
Das nächste Mal würde er Addie wahrscheinlich erst auf ihrer Hochzeit wiedersehen.
Mit seinem Bruder.
Schweigen senkte sich schwer auf sie. Inzwischen bewegte Sebastian sich fast im Laufschritt fort. Sie erreichten das Haus knapp eine Minute später und wurden sofort von mehreren besorgten Bediensteten empfangen sowie von James und Sebastians Vater und Lord Gresham, der beim Anblick seiner Tochter deutlich aufatmete vor Erleichterung.
„Sie ist unverletzt“, versicherte Sebastian.
„Es geht mir gut“, bestätigte Addie. „Nur kalt ist mir.“
„Man bereitet schon ein heißes Bad vor“, sagte der Earl und ging ihnen voraus die Treppe hinauf. „Und wir haben Dr. Everly rufen lassen.“
„Wie geht es Grace?“, fragte Addie.
„Völlig verfroren, wie du dir denken kannst“, antwortete der Earl, „aber dem Himmel sei Dank, dass sie sich halb aus dem Wasser hieven konnte. Sie nimmt gerade ein heißes Bad.“
Als sie das Badezimmer erreichten, setzte Sebastian sie sanft ab. Dampf stieg auf von den Wasserhähnen, aus denen heißes Wasser in die große Porzellanwanne lief.
Addies Zofe Henrietta war sofort bei ihr. „Ich werde mich um sie kümmern, Mylords“, verkündete die gemütliche, rundliche Frau energisch. „Bald wird ihr wieder ganz warm werden, und
Weitere Kostenlose Bücher