Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian D’Amato
Vom Netzwerk:
über die Erde ausbreiten. Ich erinnerte mich an etwas, das Jed 2 geschrieben hatte; Frau Koh hatte ihm gesagt, dass die Menschen der nullten Ebene drei Höhlen bewohnten: die Höhle der Toten, die auf der anderen Seite der Welt lag, im Westen, dann die Höhle der Atmenden, die natürlich an dem Ort ist, die wir die Welt nennen, und schließlich hier diese Höhle der Ungeborenen.
    Ich sah zu. Ich lauschte. Plötzlich begriff ich etwas über sie: Sie waren glücklich.
    Die Schatten potenzieller Bewusstseine spielten miteinander. Sie tollten geradezu herum. Sie schwammen in Scharen und jagten einander wie die Otter. Sie stießen mit den Hüften gegeneinander, als wären sie Tänzer in einer Disco der Siebzigerjahre. Aus purer Freude an der Bewegung wirbelten sie immer und immer wieder herum.
    Langsam passte sich – so wie mein inneres Auge – auch mein inneres Gehör an, und das heulende Getöse schien für mich beinahe einen Sinn zu ergeben. Als Erstes begriff ich, dass sie sich nicht etwa gegenseitig anbrüllten. Sie riefen mich an, mich, ganz gezielt, in der Ursprache, die Babys beherrschen, und nun konnte ich verstehen, was sie sagten:
    LASS UNS HIER!
    DU! FLEISCHABSTREIFER! BITTE LASS UNS HIER!
    WIR WOLLEN NICHT FORT!
    WIR WOLLEN NICHT IN DER SONNE LEBEN!
    BEDECKE UNS!
    WIRF DEN STEIN ÜBER UNS!
    SCHÜTZE UNS!
    VERSTECKE UNS!
    WIRF DEN STEIN!
    Unter ihnen war nicht ein Einziger, der geboren werden wollte.
    Trotzdem konnte ich hier nicht bleiben. Selbst in einem Solospiel kommen Sie an einen Punkt, wo Sie ziehen müssen, und mir kam es vor, als stemmte sich mein neunter Schädel gegen die Ränder seines Feldes. Ich kletterte vier Felder an der blau-grünen Achse hoch, hinauf durch die streifigen Schichten der Jahre, aus der Höhle hinaus in kalte Luft, in der ich wie ein Hund den amniotischen Nebel abschüttelte. Hinter mir hörte ich die A’aanob noch immer schreien, mich anflehen, ihnen zu helfen, dass sie ungeboren bleiben konnten, fern von der Welt des Schmerzes. Mein letzter Schädel kletterte und kletterte und kam auf einen kleinen mattgrünen Jadeblock von etwa der Größe einer Home Plate beim Baseball aus, und mir wurde klar, dass die dünne Luft nun wolkenlos war. Ich blieb stehen und sah mich um. Unter mir rotierten die Ebenen der Zeit, weiß, schwarz, gelb und rot. Ich hatte den Gipfel erreicht.
    »Darf es sonst noch etwas sein, Süßer?«, fragte die Kellnerin mit ihrer leisen Stimme.
    »Äh … könnte ich noch einen dreifachen Espresso haben?«, fragte ich. »Und noch einen Cruzan?«
    »Aber sicher, Süßer.« Sie zog ab. Ich reckte mich und setzte mich zurecht. Draußen bellte noch immer der Hund mit einer heulenden Stimme wie der des Wüstenhundes. Ich sah, wie sich die kurze Szene ein paar Mal vor meinem geistigen Auge abspulte, die letzten paar Minuten in der Nacht, in der ich zum letzten Mal zu seinem Käfig geschlichen war in dem Wissen, dass meine Stiefbrüder den Wüstenhund am nächsten Morgen totquälen wollten. Ich gab ihm Wasser und tätschelte ihn ein Weilchen durch das Gitter, und als endlich feststand, dass die Sonne nicht länger warten würde, holte ich einen Riemen aus meinem Rucksack, suchte mir eine verchromte Autozierleiste, band ihm den Riemen um den Hals, steckte die Zierleiste hindurch und drehte sie immer wieder herum. Der Riemen schnitt sich tief in sein üppiges Halsfell, aber trotzdem war er eigenartig still. Er zitterte, aber er wehrte sich nicht, und ich war mir völlig sicher, dass er genau wusste, was ich tat. Es dauerte nicht lange, da war er tot und lag in einer Haltung erstarrter Dankbarkeit am Boden. Die Kellnerin kam wieder. Ich nippte an dem Rum, spülte ihn mit einem Schluck Espresso herunter und aß, nur um Marena zu trotzen, ein Marshmallow.
    Aaah. Besser.
    Ich schaute wieder auf das Spielbrett, wo ich noch immer auf dem türkisen Zentralfeld stand, an der Spitze des umgedrehten Berges. Blinzelnd blickte ich mich um. Unter mir hatten die Stürme sich beruhigt, und der Staub senkte sich auf die Ebenen. Vier Treppen oder Wege oder Arterien oder was auch immer führten von dem Block fort. Der nordöstliche Pfad erstreckte sich über Küsten, die verfallene Textilstädte bedeckten wie Schorf, und durch Wellen mit weißen Schaumkronen und silberne Meerbusen über unterseeische Cañons, unter Ketten aus riesigen Aluminiumflugzeugen und an fleckigen Städten aus Kalkstein vorbei auf das angefrorene Meereis hinaus, dann auf das Treibeis und schließlich aufs

Weitere Kostenlose Bücher