2012 - Folge 8 - Der zeitlose Raum
Eindruck nur am Tageslicht?
Tom Ericson eilte weiter. Die anderen folgten ihm.
Sie erreichten den Parkplatz, wo sich Toms Hoffnung erfüllte – der Van war offen und der Schlüssel steckte im Zündschloss.
Dass er diesen verdammten Indios das Auto unterm Hintern wegklauen konnte, erfüllte ihn mit diebischer Freude. Bevor er losfuhr, ließ er aus jeweils einem Reifen der übrigen Autos noch die Luft heraus, damit seine Gegner zumindest vorerst hier festsaßen oder die Verfolgung allenfalls zu Fuß aufnehmen konnten.
Dann brauste er los mit dem Van, einem GMC Vandura, der in dieser Form und Ausstattung sicher nicht serienmäßig vom Band gelaufen war, während Alejandro hinten begeistert in die Hände klatschte und johlte.
»Eine … Zeitstopp-Maschine ?«, fragte Abby – zweifelnd, obwohl sie den Effekt am eigenen Leib erfahren hatte. Nur erinnern konnte sie sich nicht daran.
Sie und auch Maria Luisa hatten nichts gespürt; ja, sie hatte nicht einmal den Eindruck gehabt, die Zeit wäre angehalten worden. Im einen Moment hatten sie noch im Griff der Indios gehangen, die sie zum Van schleppen wollten – und im nächsten waren sie zu Boden gestürzt und Tom und Jandro waren wieder bei ihnen gewesen.
»Ein Temporator , um genau zu sein. Frag mich nicht, woher ich das weiß und wie er funktioniert«, sagte Tom am Steuer des Vans. »Ich weiß nur, dass er funktioniert und wie man ihn bedient.«
Abby auf dem Beifahrersitz drehte die Scheibe, die er ihr gegeben hatte, in den Händen. »Irgendeine Idee, wo dieses Ding herstammt? Abgesehen davon, dass du sie in diesem … Raum gefunden hast, meine ich?«
»Nein, aber …« Tom wiegte den Kopf. »In dem Raum waren Objekte aufgereiht wie in einer Ausstellung. Dazu passt, dass man die Objekte auf Dreibeinen abgelegt hat, wie zur Präsentation.«
»Man?«, hakte Maria Luisa nach, die hinter ihm saß.
»Ja.« Tom räusperte sich. »Jandro sprach von ›Schattenkerlen‹, die er dort gesehen haben will. Mir ist allerdings außer uns niemand aufgefallen.«
»Was waren das für ›Schattenkerle‹, Jandro?«, wandte sich Maria Luisa an ihren Bruder, der hinten im Van herumkramte.
»Unheimlich waren die«, sagte Jandro, ohne in seinem Stöbern innezuhalten. »Und überall in dem riesig großen Raum.«
»Na ja, die wahre Größe des Raums war nicht abzuschätzen«, stellte Tom richtig. »Weiter als zehn, zwölf Meter konnte man nicht sehen.«
»Konnte man doch!«, protestierte Jandro. »War riesengroß. Wie ein Fußballplatz!«
Tom stutzte und schien etwas erwidern zu wollen, aber in diesem Moment blickte Abby wieder auf die Scheibe in ihren Händen und ihr fiel etwas auf. »Die Farben werden blasser, Tom«, sagte sie und hielt den Temporator hoch.
»Also doch«, brummte er. Er warf einen Blick in den Außenspiegel. Abby tat es ihm auf der Beifahrerseite gleich. Stonehenge war hinter ihnen nicht mehr zu sehen.
»Dann schalte das Ding aus«, fuhr Tom fort. »Wir sind weit genug entfernt. Und ich möchte die Energie nicht ganz aufbrauchen. Vielleicht erweist sich der Temporator noch einmal als hilfreich.«
»Ausschalten?«, wiederholte Abby. »Wie denn?«
»Ach so, entschuldige.« Er nahm ihr die Scheibe ab. »Auf der Rückseite gibt es Vertiefungen«, erklärte er, »die wie Sensortasten funktionieren. Aber man muss gleichzeitig diese Leiste hier drücken«, er senkte seinen Daumen auf den Rand an einer Seite, »und natürlich eine bestimmte Reihenfolge einhalten. – Kannst du bitte grad mal das Lenkrad halten?«
Abby langte hinüber und hielt den Van auf Kurs, während Tom die Kombination eingab, als hätte er sie schon tausendmal benutzt. Im nächsten Augenblick erlosch das Farbenspiel in der Scheibe und sie präsentierte sich wieder so, wie Tom sie gefunden hatte. Oder fast jedenfalls … Abby sah ihm an, dass etwas nicht stimmte.
»Was ist?«, fragte sie, während sie ihm wieder das Steuer übergab.
»Diese Einschlüsse, siehst du die?«
Abby nickte. Das einigermaßen durchsichtige Material der Scheibe war von schlierenartigen Fäden durchzogen. »Was ist damit?«, wollte sie wissen.
»Das waren vorhin viel mehr.« Tom steckte die Scheibe mit etwas missmutiger Miene weg. »Lasst uns lieber hoffen, dass wir nicht mehr darauf angewiesen sein werden, die Zeit anzuhalten. Ich glaube, der Akku des Temporators ist so gut wie erschöpft.«
Pauahtun drehte sich um die eigene Achse, das Messer in der einen, die Pistole in der anderen Hand.
Nichts. Ericson
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