2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

de Uva™.
Oder hatte ich mir das nur ausgedacht? Ich schaute nach hinten, konnte es aber nicht mehr erkennen. Gott, man verdummt beim Lesen, dachte ich. Na ja, es könnte sein, dass du heute zum letzten Mal mit der 710 zu tun hast. Vielleicht fährst du sogar zum letzten Mal irgendwohin. Über meinem linken Arm berührte die große, schmutzig-orange Sonne die Reihe der Sträucher hinter toten Orangenbäumen. 18.40 Uhr, dachte ich. Pünktlich wie die Maurer. Nur einen Hauch westlich von Westsüdwest. Im Kriechgang zur Wintersonnenwende an 4 Ahau. Der allerletzten. Für immer. Immer, immerer, noch immerer, am immersten. O mein Gott, OMG , OM …
    Hör auf, sagte meine andere Seite. Ich nenne sie aus Bequemlichkeit »meine andere Seite«, aber natürlich kann es jede Seite sein, deren Stimme in meinem inneren Dialog als Zweites spricht. Hör auf, sagte meine andere Seite. Denk positiv.
    Okay. Ich passierte das Einkaufszentrum mit Reefer’s Madness. Der Laden schien ebenfalls dicht zu sein. Das ganze Einkaufszentrum sah geschlossen aus. Himmel, das ist, als wäre ich der Omega-Mann, ohne dass ich irgendwas gemacht habe. Ich wiederholte immer wieder die Gedanken an das glückliche Ende; dennoch lastete die Langeweile soschwer auf mir, dass ich am vierblättrigen Kleeblatt der Auffahrt zum Turnpike kurz davorstand, auf 170 Meilen pro Stunde zu beschleunigen und die Mühle gegen den Pfeiler zu setzen. Stattdessen hielt ich an der Mautstelle. Es hätte eine ganz gewöhnliche Mautplaza sein können wie vor dreißig Jahren, nur dass sie helleres Licht hatte, mehr Kameras und ein Trio von Rolly PoPos, die sich zwischen den wartenden Autos hindurchquetschten. Einer kam zu mir.



(3)
    »Hallo, willkommen auf Floridas schönem Ronald-Reagan-Turnpike«, sagte er – oder sie – mit der Stimme von Will Ferrell. Das breite schwarze Grinsen verengte und weitete sich halbwegs passend zu den Konsonanten, und die senkrecht stehenden schwarzen Ovale, die seine Augen waren, drehten die Spitzen um dreißig Grad gegeneinander, um kindliche Freude auszudrücken. »Könnte ich mir mal grad schnell Ihren Händeabdruck ansehen?« Er streckte die rechte »Hand« vor, einen dicken vierfingrigen weißen Handschuh mit einem runden Glasscanner in der Fläche wie ein jainistisches Dharmatschakra.
    Das sind nicht die Droiden, die ihr sucht, wollte ich schon sagen; aber dann überlegte ich mir, dass sie das wahrscheinlich tausend Mal am Tag zu hören bekamen. Ich streckte wortlos meine Hand vor, mit der Fläche nach unten. Grünes Laserlicht blitzte darüber. Dem Kindermädchen fehlen nur noch Reithosen und Schaftstiefel, dachte ich. Trotzdem sollte ich froh sein, dass ich jetzt Anteile an der Firma besitze. Denn Teile der Ausrüstung, die er trug, und das gesamte Design des Rolly-PoPo-Programms waren Produkte der Warren Group. Marena hatte mir eine Broschüre gezeigt. Sie stammte aus der Zerothruster-Abteilung, bei der es nur um massenpsychologische Wirkung ging. Im Augenblick nannte sie sich die »Spaßige, flauschige und familienfreundliche Speerspitze des unkonfrontativen Gesetzesvollzugs«. Bei der Ausrüstung handelte es sich um wassergekühlte Splitterschutzanzüge für Bombenräumkommandos, die von der Westminster Group hergestellt wurden, aber seit dem 11. September begann man, sie als Kostüme in Vergnügungsparks wie Disney World und Six Flags und andere auszuliefern. Zerothruster hatte das Nomex-Kevlar-Gewebe mit pudelfellartiger Beflockung in »verschiedenen fröhlichen Designerfarben« versehen und große runde Köpfehinzugefügt, die über den hohen Kragen und den Splitterschutzhelm kamen und »eine große Bandbreite an Designs« mitbrachten, die sich »frei an jeweilige kulturelle Gegebenheiten und Maßregeln unkonfrontativer Verhaltensweisen anpassen« ließen. Der Anzug, den ich vor mir hatte, war eine schwarz-orangefarbene neoteoisierte Katze mit einem krickentenblauen T-Shirt, die, soweit ich wusste, das Maskottchen der Jacksonville Jaguars war, und trug ein übergroßes rundes Dienstabzeichen mit der Aufschrift
Florida Highway Patrol
.
    »Guti, Junge, dann lass mich mal kurz gucken«, sagte der nächste aufgezeichnete Sprachclip des Dings. Die linke »Hand« hielt einen langen gewinkelten Stab mit einer Kamera am Ende; damit suchte es unter dem Barracuda herum. Betrachtete der Polizist das Video mit einem Auge, oder tat das jemand anderes für ihn?
    »Hey, Sie können fahren, schönen Tag noch«, sagte das Ding.
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RTT