2017 - Das Kind und der Pflanzenvater
dringend gemacht, wenigstens das konnte ich deutlich verstehen. Wir werden mit einem Schwebteppich zur Lichtung fliegen oder wenigstens bis zum Rand."
Yhata-Satnakys Runzeln vertieften sich. Sein Leben lang hatte er sich dagegen gewehrt - und nun wurde er doch von der Technik eingeholt. „Sperre dich nicht so dagegen!" fügte sie hinzu. „Arystes selbst akzeptiert die Schwebteppiche im Wald, während die meiste Technik darin versagt. Damit zertreten wir nicht so viele Pflanzen, wenn wir in der Gruppe unterwegs sind. Und wenn du so willst, kannst du uns beide schon als Gruppe bezeichnen."
Es hatte also keinen Sinn zu protestieren, Arystes' Wille war höher als sein eigener. Er ließ sich von Rilme-Ireffe beim Aufstehen helfen; tatsächlich war er klapprig geworden, und er sah ein, daß er den Weg zur Lichtung unmöglich selbst gehen konnte.
Der alte Mönch setzte sich auf den Schwebteppich und schloß die Augen. Während des ganzen Fluges konzentrierte er sich nur nach innen; so konnte er sich einbilden, daß er sich durch eigene Levitationskraft fortbewegte.
Und er dachte an den Pflanzenvater; an das Geheimnis, das auf ihm lastete. Wollte Arystes sich nun doch anderen anvertrauen? Und was mochten die Fremden damit zu tun haben?
3.
Die SOL: Erwachen (2)
„Nein!" Mondra Diamond erwachte von ihrem eigenen Schrei. Sie setzte sich im Bett auf und berührte mit zitternder Hand ihre schweißnasse Stirn. „Computer, gedämpftes Licht", flüsterte sie. Dankbar sah sie, wie die düsteren Schatten einer dämmrigen, weichzeichnenden Helligkeit wichen. „Wo bin ich?" fragte sie im selben brüchigen Tonfall.
Eine dumme Frage, mochte man meinen; immerhin sollte Mondra die Umgebung erkennen. Die Kabine eines Raumschiffs konnte noch so weitläufig sein, mit mehreren Räumen, gemütlicher Einrichtung und allem Drum und Dran - man erkannte sofort, daß man sich keinesfalls in einem Haus auf einem Planeten befinden konnte.
Die Holoprojektion an der Wand zeigte das samtschwarze All mit fernen glitzernden Punkten.
Der Computer antwortete prompt: „An Bord der SOL, in deiner eigenen Kabine."
Mondra schüttelte irritiert den Kopf. „Wo - ist die SOL?" differenzierte sie die Frage. „In der Southside von Segafrendo, 113.966 Lichtjahre von unserem letzten Standort Torm Karaend entfernt. Wir haben zehn Kilometer über dem Planeten Orllyndie eine Parkposition eingenommen. Orllyndie besitzt 0,85 Gravos Schwerkraft, hat einen Durchmesser von 10.745 Kilometern und zwei kleine Monde."
„Ach ja ..." Endlich dämmerte es ihr wieder, und die Desorientierung ließ nach. „Zeig mir diese Welt!"
Das Holobild änderte sich. Mondra blickte auf einen menschenfreundlichen Planeten hinab, mit einer ziemlich ausgeglichenen Verteilung von Land und Wasser, zwei großen Hauptkontinenten und mehreren Großinseln.
Unterhalb der Parkposition der SOL befand sich die Hauptstadt Pur Straviente, eingebettet zwischen einen insgesamt 1710 Meter herabstürzenden Terrassen-Wasserfall und eine mächtige Steilküste. Aus dem Orbit war die Stadt kaum als solche zu erkennen, so perfekt war sie in die Landschaft eingepaßt - und von kunstvollen Pflanzenarrangements überwuchert.
Die Tharoidoner lebten in halbdurchsichtigen, von Gischt umsprühten Wohnkugeln mitten in der Natur; auf den ersten Blick hätte man sie für Schaumblasen halten können. Zur Gesteinsstabilisierung gegen Erosion und zur Aufhängung der Kokons wurden Skelette aus transparenter High-Tech-Plastik, genannt Morphit, verwendet. „Es sieht so idyllisch aus", murmelte die ehemalige TLD-Agentin. „Beinahe wie Terra."
Sie fröstelte und zog die Schultern zusammen. Der Traum hallte immer noch in ihr nach. Die letzten Ereignisse trugen nicht dazu bei, ihr seelisches Gleichgewicht wiederherzustellen. „Wir haben Glück gehabt..."
Beinahe schon war der Untergang der SOL unvermeidlich gewesen. Ein an sich unvorstellbares Ereignis. Die Verantwortlichen in der Zentrale hatten schon völlig waghalsige Pläne geschmiedet.
Die SOL-Zelle 2 abkoppeln ... alle Beiboote als fliegende Bomben losschicken ... das Ende der SOL-Zelle 2 in Kauf nehmen... Wie eine brutale Amputation.
Legenden können doch nicht sterben, hatte jemand in Mondras Nähe geflüstert, als SENECA gut vernehmlich über Bordkom nur noch wenige Minuten bis zur endgültigen Vernichtung zählte.
Es wäre der glatte Hohn, hatte Mondra überlegt. Sie hatte sich gefragt, ob es an der Zeit war, sich in das Ende zu fügen
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