202 - Unter schwarzer Flagge
Doch die letzte Schlacht war nun geschlagen: Der alte Feind stellte keine Bedrohung mehr dar. Dafür war ihm ein neuer erwachsen: Daa’tan. Sein Sohn, von dem er jetzt erst erfahren hatte und der, obwohl erst fünf Jahre alt, bereits wie ein knapp Zwanzigjähriger aussah.
Dafür hatten seine besonderen Gene gesorgt: Denn nicht nur Matt war sein Vater, sondern auch ein geheimnisvolles Pflanzenwesen, das seine Gefährtin Aruula – die Mutter des Jungen – zur Zeit der Empfängnis okkupiert hatte. Als Folge daraus verfügte Daa’tan über erschreckende Pflanzenkräfte, die er gnadenlos gegen Matthew eingesetzt hatte. Woher dieser Hass auf ihn kam, war Matt nicht ganz klar; vermutlich hing es damit zusammen, dass die Daa’muren – jene Außerirdischen, die nun die Erde verlassen hatten – das ungeborene Kind aus Aruulas Leib geraubt und aufgezogen hatten.
So sehr Daa’tan seinen Vater hasste, so abgöttisch liebte er seine Mutter. Nur ihr zuliebe hatte er sein Tötungswerk nicht vollendet, sondern war zusammen mit ihr, einem Daa’muren und einem farbigen Prinzen aus Afrika in dessen Luftschiff nach Westen aufgebrochen. Rulfan, der Prinz Victorius näher kannte, vermutete daher, dass sie ins Reich von dessen Vater am Victoriasee unterwegs waren Nach Matts langwieriger Genesung hatten er und sein Freund Rulfan nun keinen Grund mehr, auf diesem Kontinent zu verweilen. Sie folgten seit Wochen dem Luftschiff nach Westen. Bis an die australische Westküste waren sie gekommen; jetzt hofften sie, in irgendeinem Hafen ein Schiff zu finden, das sie hinüber nach Afra brachte, wie die Menschen des 26. Jahrhunderts den Schwarzen Kontinent nannten.
Aruula. Matt seufzte leise. Er war schon so lange von seiner Gefährtin getrennt, dass es ihm wie eine Ewigkeit erschien.
Erst das Jahr auf dem Mars, dann die lange Suche nach ihr quer durch Australien… Am Uluru waren sie sich nur kurz begegnet und gleich wieder getrennt worden. Und jetzt war sie schon wieder so weit entfernt…
Matt schaute zum Himmel auf. Der Mond – er hatte ihn kurz vor dem Einnicken bewundert – hatte sich hinter eine Wolke verzogen. Nun riss sie auf. Ein zweiter Donnerschlag ließ die Welt erbeben. Sekunden später prasselte ein Wolkenbruch auf die Wanky hinab.
Matt sprang unter Rulfans aus großer Höhe kommendem Gelächter unter das Sonnensegel. Es sollte die Mannschaft vor der Sonne bewahren, erfüllte aber auch als Regenschutz seine Funktion.
An Deck huschten Gestalten umher. Dass sich der Skipper und seine Leute angesichts der nahen Küste so leise verhielten, machte Matt nachdenklich.
Warum gingen die Matrosen geduckt? Weshalb hielten sie die klobigen Säbel in Händen? Was war los? Hatten sie etwas im Lichtblitz gesehen? Drohte ihnen eine Gefahr?
Matt schaute sich um. Hinter den Bullaugen war nur Dunkelheit. An Deck brannte keine Positionslampe. Sein Blick wanderte in die Höhe. In den Wanten stand eine muskulöse Gestalt mit einer wallenden weißen Mähne: Rulfan.
Ein Seemann huschte vorbei. Matt machte »Pssst«, hielt ihn am Arm fest und fragte ihn, ob er etwas verpasst hatte.
Der Matrose, ein wieselhaftes Kerlchen, zuckte die Achseln.
»Nix gesehn, Meista…« Er deutete mit dem Kinn auf die Wanten. »Der Fella da oben sacht, am Ufer schleichen zweibeinge Ratzen rum…« Er verschwand zwischen den Kisten, Kästen, Säcken und Fässern, die an Deck gestapelt waren.
Matt atmete auf. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt – oder?
Auf den »Fella« konnte man sich jedenfalls verlassen. Früher hatte er mit Rulfan nicht immer auf gutem Fuß gestanden.
Inzwischen wusste Matt jedoch, dass man ihm sein Leben anvertrauen konnte.
Auch heute Abend hatte Rulfan bewiesen, dass man ruhig einnicken konnte, wenn er Wache hielt. Wenn dort draußen wirklich »zweibeinige Ratzen« zugange waren, hatte der Blitz sie sichtbar gemacht. Nun waren sie auf zwielichtiges Gesindel jeder Art vorbereitet.
Das Unwetter trieb Rulfan aus den Wanten und unter das Sonnensegel. Die Wanky hatte beigedreht und näherte sich dem Kai längsseits. Zwei Matrosen sprangen mit Tauen an Land, die sie an Eisenringen befestigten.
Kommandos ertönten. Bewaffnete mit wasserdichten Umhängen und breitkrempigen Hüten traten an die Reling und bereiteten sich mit rauflustiger Miene darauf vor, den Liegeplatz zu sichern.
Der Skipper hatte Matt und Rulfan vor zwei Tagen nördlich von hier an der Küste aufgelesen. Nun ja, genauer gesagt hatte plötzlich ein tonnenschwerer Flugpanzer
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