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202 - Unter schwarzer Flagge

202 - Unter schwarzer Flagge

Titel: 202 - Unter schwarzer Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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rufen wir Jussuf!«
    »Wer, zum Henker, ist Jussuf?«
    Hinter der Theke öffnete sich eine Tür. Ein schnauzbärtiger Orientale schob den Kopf ins Lokal. »Was soll der Krach, verfluchte Weiber? Ist euch denn gar nichts heilig?« Er hatte leicht geschlitzte Augen, schakalartige Züge, trug ein blauweißgestreiftes Nachthemd und sah aus wie der selige Thomas Chong. »Ich bin Jussuf Ibn-Awa, der Oberkellner. Womit kann ich dienen… obwohl ich um diese Zeit am liebsten gar nicht dienen möchte.«
    »Mit einer Auskunft.« Matt schaute sich um.
    »Ich weiß nichts«, sagte Jussuf wie ein Automat. »Rein gar nichts!«
    Matt seufzte. »Ich verlange ja nicht, dass du deine Chefin an die Steuereintreiber verpfeifst. Ich suche nur meinen Freund. Er hat hier Musik gemacht…« Er beschrieb Rulfans Aussehen.
    Jussuf wusste genau, wen er meinte, Matt sah es ihm an.
    Doch die Antwort des Oberkellners lautete: »Ich habe noch nie einen Mann gesehen, der so aussieht.«
    Als er an Matts Faust zehn Zentimeter über dem Boden schwebte, änderte er seine Meinung. »Er ist o-oben«, haspelte er aufgeregt. »Bei Lyz! A-aber sie mag es nicht, wenn man sie nach Feierabend stört…«
    Matt ließ Jussuf mit einem stummen Fluch fallen und trat auf die Straße hinaus. Hatte Rulfan sich zu einem Schäferstündchen hinreißen lassen? Oder bloß ein Quartier für die Nacht gefunden?
    Drei Seeleute, die aus dem Nebenhaus kamen, verabschiedeten sich mit Küssen und lockeren Worten von einigen berufstätigen Damen. Matt erkannte in ihnen Matrosen der Schelm.
    »He, Jungs«, rief er ihnen zu. »Wart ihr schon mal in Britana?«
    »Was soll das sein?«, erwiderte einer der Männer, ohne stehen zu bleiben. »Ein Land?«
    »Afra habt ihr wohl auch noch nicht umrundet, was?«
    Die Matrosen lachten und gingen ihrer Wege.
    Matt spazierte hinter ihnen her. Es ging zum Hafen. In Alunga war nun alles still. Die Papageien schliefen, die Skunkferkel hatten sich verkrochen. Aus offenen Fenstern drang Schnarchen. Auch das Rauschen der Brandung war leiser geworden. Das Meer lag da wie ein Brett. Die drei Matrosen stiegen in einen Kahn und ruderten in die Bucht hinaus. Es war nun hell genug, um alle Schiffe zu erkennen, die dort lagen.
    Die Wanky und die Schelm waren die größten.
    Die Schelm war sogar beeindruckend. Schon ihre großen Deckaufbauten zeigten, dass ihre Mannschaft mehrere Dutzend Köpfe stark war. An Deck war niemand zu sehen. Am Heck wehte ein hellrotes Banner mit einer goldenen Krone. Matt glaubte zu wissen, dass die niederländische Flagge Rot-Weiß-Blau war, aber irgendeine verschüttete Erinnerung sagte ihm, dass die Bewohner des drolligen kleinen Landes immer eine Leidenschaft für Orange gehabt hatten…
    Nun ja, er würde sicher noch in Erfahrung bringen, wo die Ahnen dieser Seefahrer ihr Königreich hatten neu erstehen lassen…
    Die Matrosen gingen längsseits und kletterten über die Jakobsleiter an Bord.
    Matt gähnte. Er musste eine Mütze voll Schlaf nehmen, sonst fiel er auf die Nase, bevor seine Stiefel auch nur eine Chance hatten, über die Planken der Schelm zu schreiten.
    Auf einem verwilderten Grundstück am Hafen baumelte zwischen zwei Bäumen eine Hängematte. Matt bahnte sich eine Gasse durch die Büsche, prüfte die Festigkeit der Seile, zog sich hinein und schlief ein.
    Im Traum saß er in einem Rollstuhl, der über die abschüssigen weißen Klippen von Dover dem Abgrund entgegen raste – und auf ein riesiges bärtiges Gesicht zu, über dessen Stirn ein Dreispitz thronte. Es grinste Matt an und riss das Maul weit auf. Seine Zunge war gespalten wie die eines Reptils.
    Sekunden später raste der Rollstuhl über den Klippenrand hinweg. Matt flog durch die Luft. Heißes Adrenalin durchströmte seinen Körper.
    »Matt!« Zwei kräftige Hände packten ihn am Kragen und hielten ihn fest, bevor er aufschlug. Matt riss die Augen auf – und schnappte erleichtert nach Luft.
    Rulfan stand vor ihm. »Hoch mit dir, Schlafmütze!«, rief er fröhlich.
    Matt richtete sich auf, so weit das in der Hängematte möglich war. Ihm fiel auf, wie eigenartig sein Gefährte gekleidet war: Rulfan trug blauweiß gestreifte Hosen, hochhackigen Stiefel und eine Lederweste. Er sah aus wie auf See geboren.
    »Zieh dich um, aber fix.« Rulfan warf ihm ein Kleiderbündel auf die Brust. »Die Schelm läuft heute aus. Wir müssen uns beeilen.«
    »Was? Wirklich? Woher hast du das Zeug?« Matt sprang aus der Hängematte und tat, wie ihm geheißen. Trotz

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