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203 - Die Wüstenfalle

203 - Die Wüstenfalle

Titel: 203 - Die Wüstenfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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Lieblingsschwestern.
    In der Wartelounge entdeckte er seinen Bruder Muhammad.
    Er war in die Washington Post vertieft. Muhammad arbeitete am East River bei den Vereinten Nationen. Dort war er Botschafter von Saudi Arabien. Ali nahm in dem freien Sessel neben ihm Platz, seine Leibwächter postierten sich rechts und links von ihnen. Lauernd spähten sie nach allen Seiten.
    Muhammad blickte von seiner Zeitung auf, nickte kurz und vertiefte sich wieder in seine Lektüre. Beiläufig fragte er: »Wie geht’s?« In ähnlich gleichgültigem Tonfall behauptete Ali, dass es ihm gut gehe, und erkundigte sich nach dem Ergehen seines Bruders. Nach dem Austausch dieser Phrasen erschöpfte sich ihr Gespräch.
    Keinen der beiden störte das besonders. Sie hatten sich einfach nichts zu sagen. Muhammad war nur wenige Wochen jünger als Ali, und anders als dessen Mutter hatte die seine es nie zur Lieblingsfrau ihres gemeinsamen Vaters gebracht.
    Vielleicht war dies der Grund, warum Muhammad seinen älteren Bruder nicht liebte und sich Ali nicht für seinen jüngeren Bruder interessierte.
    Später saßen sie nebeneinander in der Maschine. »Hast du heute schon Zeitung gelesen?«, fragte Muhammad.
    »Nur den Sportteil wegen der Pferderennen in England«, sagte Ali. »Und natürlich den Börsenteil. Der Dow Jones gibt sich wechselhaft zurzeit.«
    »Der Komet macht alle verrückt.« Mit dem Handrücken schlug Muhammad auf die Washington Post .
    »Eine geradezu epidemische Hysterie hat die Leute erfasst. Keiner baut mehr, keiner schließt mehr eine Versicherung ab! Alles nur wegen dieser absurden Spekulationen über eine mögliche Kollision!«
    »Ich weiß«, sagte Ali. »Fireman’s Fund hat im September keinen einzigen neuen Vertrag abgeschlossen. Die Leute kündigen sogar ihre Verträge und nehmen Verluste in Kauf, nur um sich in irgendwelche Konsumabenteuer zu stürzen, bevor die Lichter ausgehen.«
    »So ein Blödsinn«, knurrte Muhammad. »Und die Regierung gießt noch Öl ins Feuer.« Er deutete auf ein Zeitungsfoto. Es zeigte einen Mann mit schmalem, knochigen Gesicht und Glubschaugen. »Der Chef der Astronomie Division der US Air Force, ein gewisser Professor Dr. Smythe! Er hat gestern in aller Öffentlichkeit über eine Kollisionswahrscheinlichkeit von fast fünfundfünfzig Prozent spekuliert. Hast du das mitbekommen?« Muhammad schien glücklich zu sein, endlich ein gemeinsames Thema mit seinem älteren Bruder gefunden zu haben.
    »Habe ich. Da muss man sich nicht wundern, wenn die Kurse verrückt spielen.« Ali Ben Ulashi blickte zum Flugzeugfenster hinaus – die Mündung des Hudson River und Long Island fielen unter ihnen zurück. Erste Wolkenschleier flogen vorbei.
    »Hast du gestern Abend die Timothy-LaHaye-Show gesehen?«, fragte Muhammad. Ali verneinte. »Weißt du, was er gesagt hat? ›Stellt den Sekt kalt, Weltveränderer aller Völker!‹, hat er gesagt, ›Christopher-Floyd wird die Welt so gründlich verändern, wie ihr es euch in euren kühnsten Träumen nicht vorstellen könnt‹!«
    »Nicht zu fassen.« Ali schüttelte den Kopf. »Was für ein verantwortungsloser Schwätzer!«
    Die Maschine durchstieß die Wolkendecke. Die Stewardessen gingen durch die Reihen und erkundigten sich nach den Wünschen der Passagiere. Die Brüder Ben Ulashi bestellten Kaffee und Gebäck. Muhammad vertiefte sich in die nächste Zeitung und Ali klappte seinen Laptop auf. Eine Zeitlang redeten sie kein Wort.
    »Weißt du eigentlich, warum Vater uns nach Hause rufen lässt?«, fragte Muhammad irgendwann.
    »Ich fürchte, er hat zu oft die Timothy-LaHaye-Show gesehen.« Ali zog spöttisch die linke Braue hoch.
    »Du meinst…« Die Verblüffung stand Muhammad ins Gesicht geschrieben. »Das glaube ich nicht.«
    »Lassen wir uns überraschen.« Ali Ben Ulashi war der Lieblingssohn des Scheichs, er kannte seinen Vater sehr gut. Er war überzeugt davon, dass der Rundruf seines Lieblingsbruders Achmed mit der allgemeinen Hysterie um den Kometen zusammenhing.
    Bis London sprachen sie kein Wort miteinander. In Heathrow stieg ihr jüngerer Bruder Zahir zu. Er studierte Medizin in Oxford. Irgendwie hatte Achmed es geschafft, ihnen Sitzplätze in einer Reihe zu reservieren. Der jüngste Bruder der Ben Ulashi Söhne war ein Organisationstalent. Zahir, der einen Turban zu einem westlichen Anzug trug, war ein geschwätziger Bursche und plauderte abwechselnd mit beiden Brüdern.
    Stunden später, bei der Zwischenlandung in Tripolis, stieg ihr Bruder

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