203 - Die Wüstenfalle
gestikulierte, um sich verständlich zu machen. Etwas flatterte an ihr vorbei, etwas Kleines, Braunes.
Titana.
Sie blickte der Zwergfledermaus irritiert hinterher und beobachtete, wie sie auf Grao’sil’aanas Schulter landete und unter seine Achselhöhle kroch.
»Ich lass mich von niemandem vertreiben!«, begehrte Daa’tan auf.
»Du hältst dich raus!«, fauchte Aruula in seine Richtung. »Ich regele das schon!«
»Und warum sollte ich für das verdammte Wasser bezahlen?«
Daa’tan lief rot an. Er geriet schon wieder völlig außer sich.
»Wozu können wir denn kämpfen?« Er riss sein Schwert Nuntimor hoch und ging auf den Kamelreiter los.
Ein Aufschrei ging durch die Menge der Wüstenkrieger.
Direkt neben sich sah Aruula eine Säbelklinge im Sonnenlicht blitzen. Blitzschnell warf sie sich zu Boden und der Hieb sirrte über sie hinweg. Schon im Fallen schleuderte sie das Beil auf den Wüstenkrieger, der breitbeinig über Victorius stand.
Victorius schrie, der Krieger hob seinen Säbel zum Schlag – die Beilklinge traf ihn an der Stirn. Er kippte nach hinten um wie ein gefällter Baum.
Aruula rollte sich ab, entging so dem nächsten Hieb, rollte noch einmal herum und sah das Funkeln eines durch die Luft wirbelnden Säbels. Neben ihr fuhr er knirschend in den Sand.
Victorius war geistesgegenwärtig genug gewesen, dem gefallenen Wüstenkrieger die Waffe abzunehmen und ihr zuzuwerfen. Sie packte die Klinge, sprang auf und parierte den nächsten Hieb des Wüstenkriegers, der sie angriff.
Funken sprühten, als die Waffen zusammenprallten. Der Kamelreiter lag längst tot im Gras. Mindestens acht Säbelkämpfer gingen auf Daa’tan los, sie brüllten vor Wut. Aus den Augenwinkeln sah Aruula den schwarzen Prinzen zur Gondel hetzen. Zwei oder drei Wüstenkrieger waren ihm dicht auf den Fersen…
***
Arabische Halbinsel, Anfang Oktober 2011
Mit einer Flotte von sechs Hubschraubern starteten die wichtigsten Männer des Ulashi-Clans vom privaten Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach des größten Hotels in Riad. Mit ihnen flogen Professor Dr. Awakian und sein Team, der Ingenieur Hassan El Tubari und ein paar Techniker, Leibwächter und Diener.
Der Flug ging nach Süden Richtung jemenitische Grenze.
Rasch verlor sich die Skyline von Riad am Horizont, die bewachsene Kulturlandschaft wich mehr und mehr einer wilden Steppe und wurde schließlich zu weißem Wüstensand. Bald breitete sich die arabische Wüste unter ihnen aus, wie ein Ozean aus Sand und Hitze.
»Was meinen Sie, Professor Awakian«, raunte Hassan El Tubari dem Arzt ins Ohr. »Der Komet – er wird doch nicht wirklich die Erde treffen, oder?«
Sie saßen im Passagierraum hinter zwei Söhnen des Scheichs.
Der Scheich selbst und sein ältester Sohn Ali saßen ganz vorn.
Das Rotorengehämmer übertönte jedes Wort, das in der Kabine gesprochen wurde. Man musste sich nahe ans Ohr seines Gesprächspartners beugen, um sich verständlich zu machen.
»Ich bin kein Wissenschaftler, Mr. El Tubari«, sagte der Mediziner. »Und glücklicherweise auch kein Hellseher. Doch ich glaube nicht an den Weltuntergang.« Die Frage des Ingenieurs überraschte den Professor. Er hatte Tubari für genauso untergangsgläubig gehalten wie den Scheich.
»Allerdings muss ich zugeben, dass die Frage auch mich in letzter Zeit manchmal beschäftigt.« Er zuckte mit den Schultern.
»Fifty-fifty, haben die Medien gestern behauptet. Hab ich Recht?«
»Im Westen geht man inzwischen sogar von über sechzig Prozent Wahrscheinlichkeit aus, dass ›Christopher-Floyd‹ uns erwischt«, rief der arabische Ingenieur ihm ins Ohr.
»Das wäre nicht nett von ihm.« Der Mediziner lächelte säuerlich. Am Horizont wurde ein verwaschener Fleck im weißen Sandmeer sichtbar: die Oase. Der Scheich hatte seinem Leibarzt von ihr erzählt, doch Awakian war noch nie dort gewesen.
Natürlich waren die Gespräche mit dem Scheich nicht spurlos an Awakian vorübergegangen. Bei jeder Nachrichtensendung, bei jeder Zeitungslektüre hatte er an Ben Ulashi denken müssen.
Ob er wollte oder nicht, ob er den Plan des Scheichs für vernünftig hielt oder nicht – der Gedanke an das mögliche Ende hatte sich in ihm festgesetzt. Kein angenehmer Gedanke, wahrhaftig nicht. Awakian wehrte sich gegen ihn, so gut er konnte.
Die Oase am Horizont rückte näher. Ein paar Minuten noch bis zur Landung. Der Scheich und sein ältester Sohn auf der vorderen Sitzbank hatten sich allerhand zu erzählen. Vermutlich ging
Weitere Kostenlose Bücher