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203 - Die Wüstenfalle

203 - Die Wüstenfalle

Titel: 203 - Die Wüstenfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
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wie er hier zwischen den Schlafwannen seine Angst und seinen Ekel vor dem Leben herausgeweint hatte, und wie sie schließlich das CMZ-Programm gestartet hatten. Seinen Schneewittchensarg hatte Smith zuletzt geschlossen.
    Allan und Flora Smith!
    Ob sie noch lebten? Er betrachtete seine Haut. Weiß wie Frischkäse war sie und zugleich entsetzlich faltig. War er so stark gealtert? Wie viel Zeit mochte wohl inzwischen verstrichen sein? Und warum waren alle Schlafwannen geöffnet, außer der seiner Frau?
    Er zog das linke Bein an, um es über den Rand des Schneewittchensarges zu ziehen. Es fühlte sich so schwer an wie die Leiche eines ausgewachsenen Mannes. Stück für Stück ließ es sich nur bewegen, und bei jeder Bewegung stieg ihm ein Schwall üblen Gestanks in die Nase. Die Gelmatratze hatte sich aufgelöst. Statt auf ihr, lag er in seinen Ausscheidungen.
    Ausscheidungen? Aber der Superrechner hätte doch die Abfallprodukte seines reduzierten Stoffwechsels über den molekularen Zirkulationsfusionskreislauf aus seinem Blut filtern müssen! Er hob seine Rechte – das Handgelenk war verbunden.
    Über die Radialarterie war er durch einen Shunt, eine künstliche Arterie, mit dem Spiralkreislauf im Rechner verbunden gewesen! Jemand hatte seine Schlafwanne geöffnet! Jemand hatte ihn vom CMZ-Kreislauf abgehängt und seine Arterie genäht und verbunden!
    Er betrachtete den Deckel der Schlafwanne. Sie hatte Grifflöcher. Er konnte sich nicht erinnern, dass er sie einst mit Grifflöchern konzipiert hatte.
    Einst… Was für ein Wort! Wie lange mochte er wohl geschlafen haben?
    Endlich schaffte Awakian es, das rechte Knie über den Wannenrand zu hieven. Als er merkte, dass der Schneewittchensarg kippte, war es zu spät: Seine Muskulatur war viel zu schwach, um rechtzeitig zu reagieren. Krachend schlug die Schlafwanne am Boden auf. Eine Staubwolke stieg hoch, Awakian rollte aus dem Behälter.
    Am Nachbarsarg zog er sich hoch. Glücklicherweise hatte er sich nichts gebrochen.
    Endlich stand er. Mit dem nackten Unterarm wischte er den Staub von dem Wannendeckel, unter dem seine Frau schlief.
    Viel Licht drang nicht in Alice’ Schneewittchensarg. Doch es reichte, um zu sehen, dass sie tot war. Ein skelettierter Schädel grinste ihn an.
    Er wandte sich ab und rang um Atem.
    Am Wannendeckel entlang tastete er sich schluchzend bis zur Rechnersäule. Mit der Faust schlug er gegen die Verkleidung.
    »Hast versagt, du Mistding!« Er rieb sich die schmerzenden Fingerknöchel. »Hast versagt…!« Seine Tränen zeichneten dunkle Punkte in den Staub auf dem Sarg seiner Frau.
    Minutenlang verharrte er schluchzend auf die Schlafwanne gestützt und gegen die Computersäule gelehnt. Irgendwann siegte die Neugier über die Verzweiflung. Er schleppte sich zu einem der beiden Kontrollmonitoren und ließ sich auf den Sitz fallen. Der Rechner lief noch, immerhin.
    Awakian stutzte: Nach der Zeitangabe auf dem Monitor lief der Rechner seit noch nicht einmal zwei Monaten. Das konnte doch nicht sein! Seine steifen Finger zielten auf die Tasten. Er brauchte eine halbe Ewigkeit, bis er die Protokolle geladen hatte.
    Vor diesen acht Wochen war der Rechner fast zwei Jahre lang inaktiv gewesen! Stromausfall. Das war völlig ausgeschlossen, dann wäre er doch aufgewacht! Awakian persönlich hatte den Superrechner so programmiert, dass in einem bedrohlichen Problemfall er als Erster geweckt wurde. Und nun war er offensichtlich der Letzte, der aufgewacht war…
    Wieder stutzte er und riss seine blauen Augen auf – vor der fast zweijährigen Abschaltung hatte Prinz etwa 509 Jahre lang gearbeitet! Er blinzelte den Monitor an, kniff die Augen zusammen und riss sie wieder auf. Die Zahl veränderte sich nicht: 509 Jahre.
    Awakian wurde schwindlig.
    ***
    Oktober 2523
    »Starten?« Victorius runzelte die Stirn. »Ohne Titana? Das geht doch nicht!«
    »Ich kriege Titana«, sagte Aruula. »Und meinen Sohn. Starte die PARIS. Ich weiß, was ich tue.«
    »Bien, Mademoiselle Aruula. Ich vertraue Ihnen.« Victorius lief zum Kessel und zur Armaturentafel.
    Ich kriege Titana…
    Victorius nahm das wörtlich. Aruula meinte es auch wörtlich, doch in einem anderen Sinn als der schwarze Prinz.
    Während er den Start des Luftschiffs einleitete, blickte sie zum Gondelfenster hinaus. Was sie sehen musste, war bei Wudan nicht schön: Grao’sil’aana wandte sich in unkontrollierten Wandlungszuckungen im Gras – im Moment sah er aus wie eine blonde Frau –, und zu Daa’tan

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