203 - Die Wüstenfalle
für ein liebenswürdiger Kerl er doch war!
Sie lauschte. Ihr Geist drang in die Gedanken des schwarzen Prinzen ein. Mademoiselle Aruula ist eine so verehrenswürdige Frau , dachte er. Aber leider, leider macht ihre Mutterliebe sie blind für die Widerwärtigkeit ihres Bastards…
Ein Ruck ging durch die Gondel, die PARIS hatte in der Oase aufgesetzt.
***
Riad, Mitte September 2011
Professor Dr. med. Georgios Awakian war US-Amerikaner mit Wohnsitzen und Privatpraxen in Genf, Boston und Dubai.
Zwei Jahre zuvor hatte der Siebzigjährige den Nobelpreis für Medizin erhalten. Das Stockholmer Preiskomitee würdigte damit seine bahnbrechenden Verdienste in der Anti-Aging-Forschung. An jenem Nachmittag im letzten September vor
»Christopher-Floyd« hockte er mit seinem Assistenten und dessen Frau im Besucherzimmer einer Villa in Riad. Bedienstete des Hausherrn hatten Kaffee und Gebäck aufgetragen.
Die Villa gehörte Kemal Ben Ulashi, dem reichsten Geschäftsmann Saudi-Arabiens nach dem König und sieben oder acht Prinzen des saudischen Königshauses. Der aramäischstämmige Awakian arbeitete schon seit Jahren für eine Reihe schwerreicher Privatpatienten, die einen beträchtlichen Teil ihres Geldes in die Verzögerung ihres Alterungsprozesses investieren konnten. Seit der Verleihung des Nobelpreises war er, was seine Privatpatienten betraf, in die allererste Liga aufgestiegen, um einen etwas flapsigen Begriff aus dem Sport zu verwenden.
Mit anderen Worten: Er verdiente unverschämt gut. Und am meisten verdiente er an dem hypochondrischen Scheich Kemal Ben Ulashi. Einmal hatte sein wichtigster Patient ihm eine Kreuzfahrt zu den indonesischen Inseln spendiert; auf seiner Privatjacht. Und hin und wieder jetteten sie gemeinsam in seiner Privatboeing nach Dubai ins Spielkasino.
Awakian war ein sehr hoch gewachsener und ziemlich dünner Mann. Er hatte ein langes Gesicht und eine Hakennase. Weiße Locken wucherten dicht auf seinem Schädel, und ein langer buschiger Schnauzer hing ihm tief über die Mundwinkel herab.
Eine quastige Narbe zog sich von seiner linken Schläfe bis zum Unterkiefer. Seine Augen waren hellblau.
Der Scheich betrat das Besucherzimmer in Begleitung von sechs Männern. Alle waren in lange weiße Dischdaschas gehüllt, doch nur einer außer dem Scheich trug einen Turban. Bunt bestickte Kappen oder rote Al-Fatah-Tücher bedeckten die Schädel der anderen Araber. Ben Ulashi begrüßte Awakian und seine beiden Assistenten und stellte dann den zweiten Turbanträger vor: »Das ist Hassan El Tubari, mein Chefingenieur.«
Ben Ulashi und El Tubari ließen sich in Sesseln nieder. Die italienischen Polstermöbel waren vermutliche eine Konzession an die vielen westlichen Geschäftspartner, die Ben Ulashi in diesem Raum zu empfangen pflegte.
Zwei der anderen Männer gingen auf die Terrasse, schlossen die Tür hinter sich und nahmen rechts und links davon Aufstellung. Zwei verließen den Raum, nachdem sie sich lauernd umgeblickt hatten, und flankierten die ebenfalls geschlossene Eingangstür.
Jetzt erst entdeckte Awakian die Empfänger in ihren Ohrmuscheln und die Mikrophone an den Kragen ihrer Gewänder. Es waren natürlich Leibwächter.
Der fünfte Mann, fast schon ein Greis, schenkte dem Scheich und El Tubari Kaffee ein und entzündete die Schischa. Danach nahm er etwas abseits auf dem einzigen Sitzpolster im Empfangszimmer unter der Klimaanlage Platz. Er hieß Karim und diente Ben Ulashi, seitdem er ein junger Mann war.
Awakian hatte gehört, dass er taubstumm war.
»Wie geht es Ihnen, Professor Awakian?«, eröffnete der Scheich den unvermeidlichen Smalltalk vor dem eigentlichen Gespräch.
»Ganz ausgezeichnet, Eure Hoheit! Und wie geht es Ihnen?«
»Bestens, Professor Awakian, allerbestens, danke der Nachfrage.« Auch bei Allan Smith und seiner Frau Floria erkundigte sich der Scheich nach deren Befinden und bezog sofort El Tubari in das Vorgeplänkel mit ein. Es sah ganz so aus, als würde der Mann in den nächsten zwei Stunden eine größere Rolle spielen.
Das Geplauder nahm seinen üblichen Lauf. Awakian erkundigte sich nach der Pferdezucht Ben Ulashis, denn er wusste, dass sein Patient ein Pferdenarr war. Der Scheich wollte wissen, ob Awakian noch immer deutsche Luxuswagen bevorzugte, und sein Chefingenieur ließ sich über ein Kamelrennen in Dubai aus, bei dem er und der Scheich eine erhebliche Summe an Wettgeldern verloren hatten, weil das Kamel ihres Favoriten vergiftet worden war.
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