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Der Buddha aus der Vorstadt

Der Buddha aus der Vorstadt

Titel: Der Buddha aus der Vorstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Kapitel eins

    Ich heiße Karim Amir und hin ein waschechter Engländer - jedenfalls beinahe. Man hält mich oft für eine komische Sorte Engländer, als gehörte ich zu einer neuen Rasse, die aus zwei alten Kulturen hervorgegangen ist. Aber mir ist das egal: Ich bin Engländer (wenn auch nicht unbedingt stolz darauf), ich komme aus den südlichen Randbezirken Londons und gehe wer weiß wohin. Vielleicht ist es diese verrückte Mischung aus Völkern und Kontinenten, aus hier und da, aus dazugehören und nicht dazugehören, die mich so unruhig macht, die schuld daran ist, daß ich mich so schnell langweile. Vielleicht liegt es auch an der Vorstadt, der Suburbia, in der ich aufgewachsen bin. Aber warum im Innenleben herumsuchen, wenn die Erklärung doch völlig ausreicht, daß ich auf Ärger aus war, daß ich keinem Abenteuer, keiner Aufregung oder Affäre aus dem Weg ging, weil es in unserer Familie so trübselig, schlaff und stumpfsinnig zuging; woran das lag, weiß ich nicht. Ganz ehrlich, mich zog einfach alles runter, und ich war zu allem bereit.
    Eines Tages änderte sich dann alles. Am Morgen sah die Welt noch so aus und zur Schlafenszeit schon anders. Ich war siebzehn.
    An diesem Tag hastete mein Vater einmal nicht niedergeschlagen zur Tür herein. Er war glänzender Laune, zumindest für seine Verhältnisse. Als er seine Aktentasche hinter die Eingangstür stellte, den Regenmantel auszog und über das Treppengeländer warf, stiegen mir aus seiner Kleidung die Gerüche des Vorortzugs in die Nase. Er packte meinen jüngeren Bruder Allie, der sich gerade aus dem Staub machen wollte, und küßte ihn ab; und er küßte meine Mutter und mich mit einer Leidenschaft, als wären wir nur knapp einem Erdbeben entronnen. Schon etwas ruhiger, drückte er Mum sein Abendbrot in die Hand: eine Portion Kebab und Chapatis, die so fett waren, daß sich das Einwickelpapier bereits auflöste. Statt sich in den Sessel fallen zu lassen, um die Nachrichten anzusehen und darauf zu warten, daß Mum ihm das aufgewärmte Essen auf den Tisch stellen würde, ging er erst mal ins Schlafzimmer, das parterre neben dem Wohnzimmer lag, und zog sich bis auf Unterhemd und Unterhose aus.
    »Hol mir das rosa Handtuch!« sagte er zu mir.
    Ich holte es ihm. Dad legte es auf den Boden des Schlafzimmers und fiel auf die Knie. Etwas erstaunt fragte ich mich, ob er plötzlich fromm geworden war. Keine Spur. Er stützte die Arme neben dem Kopf auf und stemmte die Beine in die Luft.
    »Ich muß üben«, sagte er mit erstickter Stimme.
    »Was mußt du üben?« fragte ich natürlich und sah ihm neugierig und ein wenig mißtrauisch zu.
    »Sie haben mich für diese Scheiß-Yoga-Olympiade nominiert.« Mein Dad wurde ziemlich schnell sarkastisch.
    Er stand jetzt in perfekter Haltung auf dem Kopf. Sein Bauch sackte nach unten, Eier und Schwanz fielen ihm aus der Unterhose. Seine beachtlichen Armmuskeln schwollen an, und er atmete energisch. Wie viele Inder war Dad klein, aber er war elegant und sah gut aus, hatte feine Hände und ebensolche Manieren; neben ihm wirkten die meisten Engländer wie tolpatschige Giraffen. Außerdem war er breitschultrig und kräftig; in seiner Jugend hatte er geboxt und fanatisch mit dem Expander trainiert. Auf seinen Brustumfang war er so stolz wie unsere Nachbarn auf ihre Einbauküche. Beim ersten Lächeln der Sonne zog er sein Hemd aus, um mit Liegestuhl und dem »New Statesman« unterm Arm in den Garten zu marschieren. Er erzählte mir, daß er seine Brust in Indien regelmäßig rasiert hatte, damit die Haare darauf in künftigen Jahren um so üppiger sprossen. Ich dachte mir, daß seine Brust wohl das einzige Gebiet war, auf dem er sich jemals vorausschauend verhalten hatte.
    Meine Mutter, die wie immer in der Küche stand, kam kurz nach uns ins Zimmer und sah Dad bei seinem Training für die Yoga-Olympiade zu. Er hatte seit Monaten nichts mehr dafür getan, also wußte sie, daß etwas Besonderes anlag. Sie trug eine geblümte Schürze und trocknete sich umständlich die Hände an einem Geschirrtuch ab, einem Souvenir aus Woburn Abbey. Mum war eine pummelige und unsportliche Frau mit blassem, rundem Gesicht und freundlichen braunen Augen. Ich stellte mir vor, daß sie ihren Körper für etwas Lästiges hielt, für etwas, das sie umschloß, als wäre sie auf einer unerforschten, einsamen Insel gestrandet. Meistens war sie ängstlich und nachgiebig, aber wenn sie wütend wurde, konnte sie auf ihre nervöse Art ziemlich aggressiv

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