2032 - Suche in der Silberwolke
nicht?" fragte Necker. Am liebsten hätte er sich sofort aus dem unheimlichen Stollen zurückgezogen. Er wollte sich vor den anderen jedoch keine Blöße geben, und da sie blieben, harrte auch er aus. „Wozu? Ihr wißt genau, wie sie reagieren. Das haben wir ja oft genug erlebt!" Marth hatte sich gefangen, konnte Necker aber nicht täuschen.
Dieser erkannte, daß er seine Gefühle ebenso wie eine nach wie vor vorhandene Unsicherheit hinter einer Miene verbarg, die Härte und Entschlossenheit ausdrücken sollte.
Scharf atmete der Wortführer ein, richtete sich zu seiner vollen Größe auf, blickte sich um und betonte seine Führungsrolle mit einem überlegenen Lächeln. „Habt ihr vergessen, wie sie sich verhalten, wenn wir mit ihnen über unsere Arbeit reden wollen? Noch nie haben sie uns ernst genommen. Noch nie! Und das werden sie auch jetzt nicht tun. Und so kurz vor einem Einsatz in Auroch-Maxo sowieso nicht."
„Ja, du hast recht. Wir werden die Dunkel wölke jeden Moment erreichen", stimmte Necker zu. Es erleichterte ihn, bei seinem Bruder eine Schwäche erkennen zu können. „Da haben sie andere Sorgen, als sich um uns und unsere Beobachtungen zu kümmern."
„Eben!" triumphierte Marth. „Unter diesen Umständen wird keiner von denen zu uns herabsteigen, um zu prüfen, ob sich irgendwelche Objekte bewegen und mit uns flüstern."
„Aber wir müssen etwas tun!" drängte Necker. „Atlan und die anderen müssen wissen, was hier passiert. Es könnte für sie und für uns alle äußerst wichtig sein. Wir dürfen ihnen diese Information nicht vorenthalten."
„Richtig, Kleiner! Vollkommen richtig. Wir werden ihnen geben, was sie haben müssen. Wir werden ihnen alles auf einem silbernen Tablett servieren, aber vorher müssen wir handfeste Beweise dafür beschaffen, daß es sich hier tatsächlich um beachtenswerte Vorgänge handelt. Tun wir das nicht, werden unsere Warnungen nicht ernst genommen. Wenn wir uns nicht genügend vorbereiten, wimmeln sie uns ab wie lästige Quasselstrippen. Und hinter unserem Rücken tippen sie sich gegen die Stirn."
„Und wenn wir mal wieder etwas gefunden haben, wird's noch schlimmer", befürchtete Dustaff. „Das ist alles nicht in Ordnung", protestierte Necker. „Wir schuften und mühen uns weitaus mehr ab als die meisten an Bord. Das müssen wir ändern. So geht das nicht weiter!"
Necker wollte seinen Worten noch weitere hinzufügen, doch plötzlich hörte er in der Ferne Alarmsirenen heulen. Die von ihnen verbreiteten Töne waren so durchdringend, daß sie selbst bis in diesen entlegenen Schiffsteil reichten. „Es ist soweit!" erkannte Dustaff.
Sie waren im Tauu-Sektor angekommen. Der Alarm zeigte an, daß es ernst wurde. „Was machen wir nun?" fragte einer der anderen Dookies. „Über eines müssen wir uns klar sein. Während wir wie die Maulwürfe wühlen, um der SOL einige ihrer Geheimnisse zu entreißen, wird es womöglich äußerst kritisch für uns alle. Ich habe läuten hören, daß sich viele Mundänen im Gebiet der Dunkelwolke aufhalten."
„Das geht uns alles nichts an", antwortete Marth. „Wir setzen unsere Arbeit fort. Für uns hat sich nichts geändert."
„Das sagst du so einfach", entgegnete Arvadd Ohoono, einer der fähigsten Ingenieure des Teams. „Für einige von uns bedeutet das extremen Streß. Schließlich müssen wir damit rechnen, daß plötzlich alles zum Teufel geht und die SOL vernichtet wird. Die da oben in der Zentrale können wenigstens anhand der Holos sehen, was auf sie zukommt. Wir nicht."
„Vergiß es einfach!" riet der Wortführer ihm. „Wir haben keine andere Wahl. Oder willst du die Hände in den Schoß legen und gar nichts tun?"
Necker hörte schweigend zu. Er mußte an Raffa Gynnar denken, und plötzlich verstand er ihn. Der Freund hatte sich bis zur Bewußtlosigkeit betrunken, weil er sich dem erwähnten Streß nicht aussetzen wollte und weil er Angst hatte. Pure Angst vor dem plötzlich über sie hereinbrechenden Tod. Damit hatte er die Flucht vor der Realität angetreten.
Das ist keine Lösung! dachte er. Erstens verstößt er damit gegen die Dienstordnung, zweitens zieht er sich auf unsere Kosten zurück, weil wir seine Arbeit mit erledigen müssen, drittens kann er nicht so weitermachen, bis alle Gefahren vorbei sind, und viertens ruiniert er seine Gesundheit.
*
Fee Kellind gab das entscheidende Kommando. Emotionaut Roman Muel-Chen bestätigte, und dann führten SENECA und er die SOL in den Hypertakt.
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