2032 - Suche in der Silberwolke
Wenige Lichtsekunden vor der Dunkelwolke fiel der Hantelraumer in den Normalraum zurück.
Niemand sprach. Atlan blickte flüchtig zu dem Kokon hoch, und zum wiederholten Male fragte er sich, welche Bedeutung dieser hatte. Was würde bei einem Scheitern ihrer Mission wohl aus ihm werden? Er löste sich von diesen Gedanken und wandte sich der Hologalerie der Ortung zu.
Passiv-Ortung und Aktiv-Tastung lieferten nur noch vage Werte. In der rein optischen Darstellung der Außenbeobachtung erwies sich die Dunkelwolke aus der Nähe eher als eine Art mattglimmender Reflexionsnebel, geprägt von riesigen silbrigen Schlieren, Fäden und Schwaden, die von einer geheimnisvollen Lumineszenz durchdrungen waren. Er konnte nur vermuten, daß dieses Leuchten von der im Zentrum stehenden Sonne Auroch-Maxo herrührte. „Sie haben uns entdeckt!" rief Viena Zakata erschrocken.
Der Major hatte kaum ausgesprochen, als die Mundänen auch schon das Feuer auf die SOL eröffneten. Sie zögerten keine Sekunde, versuchten erst gar nicht, Kontakt aufzunehmen, und sprachen keine Warnung aus. Sie schossen einfach.
Auf den Monitoren erkannte der Arkonide, wie sie von unzähligen Mundänen-Raumern umringt wurden.
Doch sie verharrten nicht auf der Stelle am Rande der Dunkelwolke, sondern drangen mit etwa 35 Prozent Lichtgeschwindigkeit in ihre Ausläufer ein. Während der Schiffskörper noch von schweren Treffern erschüttert wurde, verschwammen in den Orterholos die Konturen der Mundänen-Raumer, bis keine verwertbaren Informationen mehr herausgefiltert werden konnten.
Der Arkonide beobachtete mehrere Energiestrahlen, die in weiter Entfernung an ihnen vorbeistrichen. Raketenartige Geschosse explodierten im silbrigen Dunst der Wolke und machten deutlich, daß die Mundänen die SOL ebensowenig orten konnten, wie die Ortung des Hantelraumers die Mundänen exakt zu lokalisieren vermochte.
Das riskante Spiel erbrachte sofort erste Erfolge, und eine schwere Last fiel von Atlan ab. Die Bedrohung durch die Mundänen blieb, aber die Vorteile lagen nicht allein und einseitig auf ihrer Seite, Die Gewichte waren gleichmäßig auf beide Parteien verteilt.
Die Staub- und Gasdichte der Dunkelwolke war verhältnismäßig gering. Es fanden sich nur wenige Moleküle in einem Quadratzentimeter und ein paar Staubkörner in einem Kubus von 100 Metern Kantenlänge. Angesichts der Geschwindigkeit von annähernd 105.000 Kilometern pro Sekunde, mit der sich die SOL bewegte, wurden die Schutzschirme des Raumschiffs erheblich belastet.
Blitze und Aufrisse überzogen die Schirme in immer stärkerem Maße, so daß die rein optische Außenbeobachtung stark beeinträchtigt wurde und schließlich gar nicht mehr möglich war.
Roman Muel-Chen veränderte fortwährend den Kurs der SOL. Er ließ sie buchstäblich „Haken schlagen", damit die Mundänen nicht anhand der anfangs ermittelten Kursdaten errechnen konnten, wohin sie sich bewegte und wo sie zum jeweiligen Zeitpunkt war.
Explosionen in der silbrig schimmernden Wolke und vorbeizuckende Energiestrahlen machten deutlich, daß die Mundänen den Ortungskontakt verloren hatten, aber nach wie vor auf die SOL schossen und buchstäblich blind im Nebel herumstocherten.
Sie würden die Verfolgung zweifellos nicht aufgeben. Selbst wenn Tausende ihrer Schiffe in dieser Umgebung nach ihnen suchten, würden sie die SOL nur schwerlich finden.
Atlan registrierte, daß die Ortung des Hantelraumers nun nur noch wenige zehntausend Kilometer weit reichte. Unter diesen Umständen war nicht auszuschließen, daß sie mit einem anderen Objekt - womöglich gar mit einem Planeten - zusammenprallten.
Da jedoch die Nebeldichte variierte, blieben die Ortungsverhältnisse nicht konstant, sondern änderten sich buchstäblich von Sekunde zu Sekunde. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir überhaupt einen sinnvollen Kurs einhalten können", meinte die Kommandantin kopfschüttelnd. „Wir haben keine Orientierungspunkte."
„Das ist nicht das Kernproblem", unterstrich Major Viena Zakata, der Leiter der Ortungs- und Funkleitzentrale. „Ein Teil der Fünf-D-Strahlung, mit der die Wolke aufgeladen ist, wirkt in unregelmäßigen Abständen und dann sehr intensiv in Form von variablen Schwerkraftfeldern auf die SOL ein."
„Und das bedeutet?" fragte Fee Kellind. „Selbst wenn ich permanent Geradeausschub gebe, kann ich den Kurs nicht halten", antwortete Roman Muel-Chen. Der Emotionaut saß regungslos unter der SERT-Haube und blickte auch nicht zur
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