2034 - Runricks Welten
Riesensonnen, Supernovae, Neutronensterne und was das Universum an Kuriosa sonst noch zu bieten hatte. Und jedes davon war ein eigenes, einmaliges Wunder mit seiner eigenen kosmischen Sprache und einer unverwechselbaren Formen- und Farbenfülle.
Mein Geist wuchs durch diese Erlebnisse. Er sprengte förmlich meinen kleinen, zarten Körper. Ich glaubte damals, erwachsen zu werden. Auch die anderen drückten ähnliche Gedanken aus. Doch Dure-Gonst machte solche Hoffnungen brutal zunichte, indem er uns seherische Kinder nannte, die erste tappende Schritte in kosmische Gefilde versuchten. Diese Aussage, die negativ gemeint war, vermittelte mir aber auch eine Ahnung von den zukünftigen Möglichkeiten eines Sehers. Wenn ich mich schon jetzt so machtvoll fühlte, wie würde das erst in einem Jahrzehnt oder zweien sein?
Doch das erfuhr ich nie.
Es war nach meiner Rückkehr von einer dieser Exkursionen in den Kindergarten. Kein besonderer Tag. Alltag eben. Cael-Ogor bat mich, den Seherschülern meiner Gruppe von meinen Eindrücken zu erzählen. Ich kam der Aufforderung widerwillig nach, überheblich und blasiert, denn ich wusste mir mit meinen Altersgenossen nichts mehr anzufangen. Ich hielt mich tatsächlich für besser als sie. „Was bildest du dir eigentlich ein, Runi?" sagte Cysitana, nachdem ich geendet hatte. „Du hast keine Veranlassung, dich uns gegenüber so überlegen zu fühlen."
„Ich war an den kosmischen Leuchtfeuern, und was ist mit euch, Cysi?" fragte ich herablassend. Cael-Ogor wollte schlichtend eingreifen, aber Cysitana kam ihm zuvor. „Und dennoch bist du unterentwickelt!" schleuderte sie zornig gegen mich. „Was soll das für ein Seher werden, der nicht sein zweites Gesicht ablegt?" Diese beleidigende Äußerung machte mich wütend. Sehr wütend. So wütend, wie es einem angehenden Seher nicht passieren dürfte. Mich überkam solche Wut, dass sich Cysitanas Zorn dagegen kümmerlich ausnahm.
Es schoss mir siedend heiß durch die Adern. Mein Körper machte sich selbständig, plusterte sich förmlich auf. Cysitana stieß einen kläglichen Laut aus, als sie meinen plötzlichen Ionenausstoss empfing. Was geschah da mit mir? Ich hatte die Kontrolle über mich verloren. Ich spürte einen Ruck durch meine Halswirbel gehen. Und dann drehte sich mein Kopf um 180 Grad. Die elektrische Aufladung ließ mir die Haare zu Berge stehen. Ich funkelte Cysitana aus rot glühenden - sehenden - Augen an. Wie klein und zerbrechlich sie doch war! „Runrick! Runrick, du hast ein Kampfgesicht!" härte ich Cael-Ogor entsetzt ausrufen.
Ich wirbelte in seine Richtung herum. Und da sah ich den Mismatiker, den ich bisher nur erahnen konnte, zum erstenmal mit den Augen. Er sah einem Mundänen nicht unähnlich, aber was für ein Zerrbild eines Mundänen! Cael-Ogor war ein wahrer Fettberg. Er trug nur einen einfachen Schurz, so dass ich jede seiner Fettwülste deutlich sehen konnte. Sie quollen ihm auf den Schultern, der Brust und um die Leibesmitte. Seine Arme und Beine waren wie wabbeliges Gelee. Der Kopf saß fast halslos auf den fettgepolsterten Schultern. Und der Schädel war kahl. Er besaß auch zwei Gesichter wie jeder normale Mundäne. Er zeigte sie abwechselnd, mal das eine, dann das andere. Doch sie unterschieden sich kaum voneinander. Sie waren beide feist, zum Platzen dick, mit wulstigen Lippen und kleinen, im Fett schwimmenden Augen, mit dicken Backen und doppeltem Kinnpolster. Und während sein Kopf ständig um 180 Grad herumruckte und mal das eine, dann wiederum das andere Gesicht zu sehen war, rief er mit schriller Stimme: „0 Unglück! Was für ein Unglück! Runrick kann sehen. Und er hat ein Kampfgesicht."
Seine eigenen Worte schienen ihn daran zu erinnern, dass er fast nackt war. Er angelte mit den schwabbelnden Armen nach seinem Gewand und versuchte, sich umständlich und ungeschickt anzukleiden. Auch dabei wechselte er ständig die Gesichter. Was für eine groteske, widerlich abstoßende Gestalt! Cael-Ogors Anblick ernüchterte mich. Ich regte mich augenblicklich wieder ab. Ruckte den Kopf herum. Zeigte mein unschuldigstes Sehergesicht. Und dabei hoffte ich, wieder erblindet zu sein.
Doch diese Gnade war mir nicht gegönnt. Auf einmal funktionierte auch dieses Augenpaar wie bei einem normalen Mundänen. Ich schloss diese Augen. Nun war ich wie blind, und die Kraft des Sehers durchflutete mich wieder. Ich fühlte mich sicher und geborgen. Aber Cael-Ogor hatte alles registriert. Und so fest ich die Augen
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