2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)

haben: keine dominante, aber doch eine genügend einflussreiche, um die unsichtbare Hand zu schwächen und die wirtschaftliche Restrukturierung zu verlangsamen.
    Die Abwendung reicher Gesellschaften von einem rein wirtschaftlichen Blickwinkel ist zudem von Bedeutung, da sie auch alle anderen Einflüsse verstärkt, die das Produktivitätswachstum in diesen Gesellschaften verlangsamen. Weniger Handel bedeutet, Wettbewerbsvorteile weniger zu nutzen und ein niedrigeres Produktivitätswachstum – bei sonst gleichen Voraussetzungen.
    Der gesteigerte Fokus reicher Gesellschaften auf kulturelle Werte lässt die Unterstützung für gemeinsame Märkte und die Fusion zu noch größeren ökonomischen Einheiten schwinden. Eine verstärkte Konzentration auf »weiche Werte« könnte sogar zur Fragmentierung bestehender Institutionen führen. Die mögliche Spaltung der Europäischen Union – als Folge der sehr unterschiedlichen Einstellungen zu Leben, Arbeit und Zufriedenheit in ihrem nördlichen und südlichen Teil – ist kein abstraktes Szenario. Am anderen Ende der Einkommensskala bewegen sich die Länder Asiens in die entgegengesetzte Richtung und versuchen, mit deutlich ärmeren Nationen einen gemeinsamen südostasiatischen Markt zu bilden.
    Auf unterer Ebene werden sich zukunftsorientierte Regionen innerhalb bestimmter Nationen verstärkt darauf konzentrieren, den unvermeidlichen Wachstumsrückgang zu bekämpfen. Sie werden versuchen, der globalen wirtschaftlichen Unruhe und dem schwindenden Zugang zu billiger Energie regionalen Widerstand entgegenzusetzen. Um dies zu erreichen, werden sie Systeme schaffen, die auf lokalen Nahrungsmitteln, lokaler Energie und Programmen zur Stärkung regionaler und lokaler Wirtschaften aufbauen.
    » Ausblick 8–1: Schottland schließt sich dem Neuen Europa an« gibt eine nachdenklich stimmende Prognose ab, wie sich das Bestreben nach lokaler Kontrolle in den kommenden 40 Jahren auf Europa auswirken wird. Wie schnell der globale Wandel voranschreitet, zeigt sich daran, dass die in diesem Ausblick vorgestellten Ideen in dem einen Jahr seit ihrem Entstehen im Sommer 2011 deutlich näher an die Normalität herangerückt sind.
    AUSBLICK 8–1
Schottland schließt sich dem Neuen Europa an
    Catherine Cameron
    Ich glaube, in 40 Jahren wird sich das Kräftegleichgewicht in Europa Richtung Norden verschieben. Die aufstrebenden Länder sind dann Skandinavien, Deutschland, die Beneluxstaaten und die Baltischen Staaten. Schottland wird seine Trennung vom Vereinigten Königreich vollziehen, indem es der als »Neues Europa« bezeichneten Ländervereinigung beitritt, die nach der Neuordnung der Europäischen Union Ende der 2020er-Jahre entstanden ist. Südliche Länder wie Spanien, Portugal, Griechenland, Italien und der Balkan werden unter Temperaturanstiegen und Wasserknappheit leiden, wodurch es zu Nahrungsmittelknappheit, Gesundheitsproblemen und Unruhen kommt. Die Folgen sind Bevölkerungsverschiebungen und Einwanderungsschübe aus Nordafrika. Im Folgenden beschreibe ich die Zukunft des Vereinigten Königreichs und insbesondere Schottlands vor dem Hintergrund tragender Ereignisse im restlichen Europa.
    2012
    Im Vereinigten Königreich liegt die mittlere Temperatur 1,1 °C über dem vorindustriellen Durchschnitt. 1 Die hohen Temperaturen beeinträchtigen den Zugverkehr im Südosten Englands. 2 In Schottland ist es mit über 250 Prozent des aufgezeichneten mittleren Niederschlags außergewöhnlich feucht. Dürrebedingungen beherrschen weiterhin Südostengland, mit weniger als 30 Prozent des aufgezeichneten Normalniederschlags. 3
    Das Vereinigte Königreich produziert 60 Prozent seiner Nahrungsmittel selbst – und gut 74 Prozent aller Nahrungsmittel, die im Inland angebaut werden können. Zwei Drittel der Nahrungsmittelimporte ins Vereinigte Königreich stammen aus anderen EU-Mitgliedsstaaten. 4 Auf dem Energiemarkt steigen die Preise jeweils im Winter: Gas um 18 Prozent, Strom um 16 Prozent. Dieser Anstieg hängt zum Teil mit den Unruhen im Nahen Osten zusammen, mit dem Erdbeben in Japan und der steigenden Nachfrage der rasant wachsenden asiatischen Konjunkturen. 5 Die Bevölkerungszahl des Vereinigten Königreichs beträgt 62,2 Millionen, wobei 5,2 Millionen auf Schottland entfallen. 6
    Auf politischer Ebene hat Schottland seit 1999 eine dezentralisierte Regierung und Exekutive. 2010 sah es noch von einem Referendum ab, mit dem es sich vollständig vom Vereinigten Königreich lösen würde. 7
    Noch