2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)
allenfalls im Lauf von Jahrhunderten wiedergutmachen konnte – wenn überhaupt. In ruhigem, professionellem Ton legte sie mir nahe, ich solle lernen, mit dem Verlust zu leben. In Worte zu fassen und zu akzeptieren, dass dieser oder jener spezielle Wald verloren war – endgültig, ohne die Möglichkeit einer Wiederauferstehung. Den Schmerz aktiv bearbeiten, wie man das auch nach dem Verlust der Mutter oder eines guten Freundes tun sollte. Die Tatsache akzeptieren, dass dieser Urwald verschwunden war und dass weitere folgen würden. Der Zukunft ins Auge sehen und sie annehmen. Sich an die Tatsachen gewöhnen. Aufhören, sich Sorgen zu machen.
Ich brauchte lange, um diesen weisen Rat zu akzeptieren. Im Lauf der Jahre hat er aber doch etwas bewirkt. Heute bin ich richtig glücklich, wenn ich ein verbleibendes Stückchen ungestörten Urwald sehe, mitten in einem Meer von kahlgeschlagenem Land. Ganz gleich wie klein es ist, es ist weit besser als nichts. Früher hätte ich meine Aufmerksamkeit auf die unordentliche kahlgeschlagene Umgebung konzentriert und wäre traurig gewesen, weil mir dabei eingefallen wäre, wie noch vor kurzem ein guter Teil der nördlichen Halbkugel von friedvollen, tiefen und ungestörten Wäldern, gemäßigten wie borealen, bedeckt gewesen war. In Michigan liegt dies weniger als 100 Jahre zurück; in Russland weniger als 50! Und beim Gedanken daran, wie schnell der Rest verschwunden sein würde, wäre ich sogar noch trauriger geworden.
Analog hierzu glaube ich, es wird eine beruhigende Wirkung haben, sich mit der Welt vertraut zu machen, die in der Zukunft unsere Heimat sein wird, anstatt von der Welt zu träumen, die es hätte geben können. Eine genaue Beschreibung davon zu erhalten, wie die Zukunft höchstwahrscheinlich aussehen wird, das ist der erste Schritt hin zu seelischem Frieden. Dann gilt es, diese Tatsache zu akzeptieren. Und schließlich aufzuhören, sich Sorgen zu machen.
Ist eine Prognose möglich?
Aber kann das überhaupt geleistet werden? Ist es möglich, eine Prognose zu den globalen Entwicklungen über einen Zeitraum von 40 Jahren zu erstellen? Auf jeden Fall ist es möglich, Vermutungen zu äußern, so wie man Vermutungen darüber äußern kann, wer die Fußballeuropameisterschaft im Jahr 2016 gewinnen wird. Vermutungen anzustellen ist leicht – das kann man machen, ohne irgendeine Ahnung vom Thema zu haben. Die Möglichkeit besteht, dass die Vermutung stimmt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht stimmt, ist deutlich größer, wie das beim Glücksspiel immer so ist.
Im üblichen Sinn des Wortes ist die »Erstellung einer Prognose« eine ehrgeizige Angelegenheit. Von einer Prognose wird erwartet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sie stimmt, höher ist als die Wahrscheinlichkeit, dass sie nicht stimmt – im Idealfall erheblich höher. Die Leute wissen, dass es von großem Vorteil ist, ein System genau zu kennen, bevor man sich anschickt, dessen Weg in die Zukunft vorherzusagen. Wenn rational handelnde Spieler sich auf eine Prognose stützen wollen, bevorzugen sie normalerweise eine wohlbegründete Prognose gegenüber unbegründeten Vermutungen. Vermutungen anstellen, das ist eine Sache für die weniger informierten Leute.
Meine Freunde – die Fachleute, aber auch die anderen – weisen mich unermüdlich darauf hin, dass eine Vorhersage über die Zukunft der Welt bis 2052 gar nicht möglich ist. Und zwar nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Theorie. Selbstverständlich haben sie recht. Ich selber bin der erste, der dies akzeptiert, nachdem ich ein Leben lang nichtlineare dynamische Simulationsmodelle zu sozioökonomischen Systemen erstellt habe. Meine Kritiker müssen sich aber präziser ausdrücken. Sie haben in dem Sinn recht, als man unmöglich einzelne Ereignisse in der Zukunft vorhersagen kann, selbst wenn man mit dem System gründlich vertraut ist. Frischluftfanatiker machen diese Erfahrung häufig, wenn man an die Unzuverlässigkeit von Wettervorhersagen über eine längere Zeit als fünf Tage denkt. Die Kritiker haben aber nicht recht, wenn es um die Vorhersage genereller Entwicklungen geht. Rein technisch gesehen ist es in der Tat möglich, über Trends und Tendenzen Aussagen zu treffen, die in stabilen kausalen Rückkopplungsstrukturen innerhalb des globalen Systems verankert sind.
Die Prognose in diesem Buch ist von einer solchen generellen Natur. Sie ist eine auf Informationen gegründete Vermutung, die in groben Zügen das nachzeichnet, was
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