2052. Der neue Bericht an den Club of Rome (German Edition)
ich als die wahrscheinliche globale Entwicklung bis 2052 ansehe. Ich werde in meiner Argumentation durchaus auf Zahlen zurückgreifen, aber immer ausdrücklich nur als Beispiel. Die verlässlichsten Seiten meiner Prognose sind die allgemeinen Trends und Tendenzen.
Ist das aber nicht ein Prozess, der den freien Willen des Menschen missachtet? Könnten die Menschen nicht im Jahr 2033 plötzlich eine Entscheidung treffen, die das System komplett aus der in der Prognose vorgezeichneten Bahn wirft? Natürlich könnte das passieren. Meine Position – die von vielen Kollegen in den Sozialwissenschaften geteilt wird – ist die, dass solche Entscheidungen aus heiterem Himmel extrem unwahrscheinlich sind. Alle Entscheidungen werden innerhalb eines Kontexts getroffen und der Kontext hat einen starken Einfluss auf die jeweilige Entscheidung. Man könnte versucht sein zu sagen, dass Entscheidungen, zumindest die größeren, durch den Kontext bestimmt werden – so wie Marx das gesehen hat. Ja, zugegeben, es kann sein, dass Entscheidungen ein Jahr früher oder auch drei Jahre später zustande kommen, falls die richtige Führungspersönlichkeit zur richtigen Zeit auftaucht. Und ja, sie ergeben sich vielleicht eher aus Internetkampagnen als in Form eines Parlamentsbeschlusses. Details sind schwer vorherzusagen, mit der Prognose des Gesamtbildes ist es einfacher. Man kann leichter feststellen, dass der nächste Winter kälter wird als dieser Sommer, als zu wissen, ob es nächste Woche wärmer oder kälter sein wird als heute.
Nehmen wir ein einfaches, aber sehr wesentliches Beispiel menschlicher Entscheidungsfindung, nämlich die Entscheidung für ein weiteres Kind. Dazu gibt es die eine Sichtweise, nämlich, dass dies ein herausragendes Beispiel für das Wirken des unvorhersagbaren und freien Willens ist, dass die Entscheidung für ein weiteres Kind ganz spontan getroffen wird, und dass der Erfolg von den Bedingungen am Ort und zum Zeitpunkt der Empfängnis bestimmt wird. Eine andere Sichtweise geht von der Beobachtung aus, dass Frauen im Schnitt weniger Kinder haben, wenn sie dem urbanen, gebildeten Milieu der unteren Mittelschicht angehören, als wenn sie auf dem Land leben, ungebildet und arm sind. Ich gebe also zu, dass es unmöglich ist, vorherzusagen, ob meine Tochter genau ein Kind haben wird. Es ist aber sehr wohl möglich zu prognostizieren, dass mit der Industrialisierung eines Landes die Zahl der Kinder pro Mutter abnehmen wird. Das ist der Unterschied zwischen Einzelfallvorhersage und Trendprognose.
Auf den folgenden Seiten werden wir die generellen Trends untersuchen, die unser Leben und das Leben unserer Kinder bestimmen werden. Ab und zu wird man auch ein zukünftiges Einzelereignis finden, das man sich in etwa so wie beschrieben vorstellen könnte; dies dient aber nur der Anschaulichkeit. Es ist einfacher, sich auf die Zukunft vorzubereiten, wenn man sie sich zunächst einmal im Kopf vorstellt.
Meine Prognose schließt den freien Willen nicht aus; sie gründet vielmehr auf der Überzeugung, dass die menschlichen Entscheidungen von den Bedingungen, unter denen sie getroffen werden, beeinflusst sind. Kleinere Familien sind das Ergebnis eines höheren Bildungsstandards. Soziale Unruhen nehmen zu, wenn die Einkommen ungleich verteilt sind. Wenn es Gründe gibt für die Annahme, dass die Bedingungen sich in einer gewissen Weise entwickeln, kann man sinnvollerweise auch die sich daraus ergebenden Entscheidungen prognostizieren.
Warum 40 Jahre?
Warum nicht zehn oder hundert? 2 Die Antwort auf diese Frage ist eine persönliche und wenig aufregend. Im Jahr 2012 ist es 40 Jahre her, dass das Buch Die Grenzen des Wachstums publiziert wurde, in dem es darum ging, wie die Menschheit in den nächsten 100 Jahren das Leben auf einem begrenzten Planeten bewältigen könnte. Heute wissen wir, was in den ersten 40 Jahren getan wurde – und was nicht. Wir sind gut informiert über die Gründe hinter den in diesen Jahrzehnten getroffenen Entscheidungen. Und wir haben einen ziemlich guten Einblick in die Zwänge, die uns an verschiedenen Fronten in Untätigkeit blockiert halten. Wir haben erfahren, wie schnell es gehen kann, bestimmte lösbare Probleme durch Technik zu lösen, und wie langsam die Menschheit bei weniger leicht zu lösenden Problemen vorankommt. Da wir über die ersten 40 Jahre so viel wissen, scheint es sinnvoll, aus ebendiesen 40 Jahren gewisse Lehren zu ziehen und die nächsten 40 Jahre in den Blick zu nehmen.
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