2068 - Die Falle der Sambarkin
einen Weg, ihre Autorität zu verteidigen und den äußeren Schein zu wahren. Sie wandte sich dem Mordfall zu, der Childiree-I erschüttert hatte und der mittlerweile längst auf allen Stationen bekannt geworden war. Sie rief Liums Narhta zu sich, zog sich mit ihm in einen Raum der Unterhaltungsabteilung zurück und ließ sich von ihm die Aufzeichnungen geben, die von dem Fest gemacht worden waren. „Einen Teil davon habe ich bereits durchgesehen", eröffnete ihr der Sicherheitschef. „Leider habe ich nichts entdeckt, was uns weiterhelfen könnte."
„Ich übernehme das", schlug sie vor. „Du kannst mich allein lassen. Ich erwarte, dass du diejenigen befragst, die sich in der Nähe des Toten aufgehalten haben. Zumindest einige von ihnen müssten zu ermitteln sein." Faer wusste, dass sie den Sicherheitsverantwortlichen vor eine schier unlösbare Aufgabe stellte. Erstens konnte er ohne technische Hilfsmittel und Aufzeichnungen kaum noch herausfinden, wer in der Nähe des Toten gewesen war, und zweitens waren bereits Tausende von Sambarkin aus Childiree-I verschwunden.
Selbst wenn er jemanden aufspürte, der als Zeuge in Frage kam, würde er keine verwertbare Auskunft erhalten, da ausnahmslos alle Sambarkin auf dem Fest berauscht gewesen waren. Dabei gab das Wort berauscht noch nicht einmal annähernd wieder, wie der Zustand von weit über siebzig Prozent der Feiernden gewesen war. Wer darüber hinaus noch blieb, war obendrein mit Sex beschäftigt gewesen und hatte ganz sicher nichts beobachtet. Die Kombination von Sex und Rauschmittel ergab, dass jegliche Wahrnehmung der Umgebung reduziert worden war.
Faer erwartete, dass Liums Narhta Einspruch erheben oder zumindest Bedenken anmelden würde. Doch der Sicherheitschef gehorchte wortlos und ging hinaus. Die hängenden Ohren allerdings verrieten, wie es in ihm aussah. Er war niedergeschlagen und frustriert, da ihm nicht der Funken einer Hoffnung auf Erfolg blieb. Gedankenverloren nestelte er an seinem weißen Stirnband herum. Im Grunde genommen verhielt er sich ähnlich wie sie selbst. Liums war in erster Linie dem Namen nach Sicherheitschef von Childiree-1. Richtige Fälle hatte er seit Jahren schon nicht mehr bearbeiten müssen. Seit Jahrtausenden war nicht ein einziger Fall bekannt geworden, in dem die Sicherheit gefährdet gewesen wäre.
So hatte er in seinem Amt kaum mehr als eine gesellschaftliche Funktion gehabt. Liums Narhta erzielte seine ordnende Wirkung vor allem dadurch, dass es ihn überhaupt gab. Ein Mann wie er hatte keine Erfahrung in der Bearbeitung von Verbrechen, und mit einem Mordfall hatte er noch nie in seinem Leben zu tun gehabt. Vermutlich hatte er noch nicht einmal von einem gehört. Wie sollte er unter diesen Umständen erfolgreich sein?
Faer war froh, dass er so schnell nachgegeben hatte. Ihre Ohren richteten sich steil auf, und ihre Augen bekamen einen eigenartigen Glanz. Die Kommandantin glaubte nicht, dass Liums Narhta den Mörder fand. Und sie wollte es auch nicht. Sie selbst wollte ihn entlarven. Den Erfolg wollte sie sich auf ihre Fahnen schreiben. Alle sollten anerkennen, dass sie fähig war und dass sie selbst solche Aufgaben souverän bewältigen konnte. Selbst wenn ein Ritter .kam, würde man sie somit ernst nehmen. Faer wandte sich den Aufzeichnungen zu und ließ sie methodisch abspielen. In einem meterhohen Holowürfel entrollten sich Szenen des Festes, wie sie sie vorher noch nie gesehen hatte.
Teilweise lösten sie Heiterkeitsausbrüche bei ihr aus, wenn sie etwa verfolgte, wie kindisch sich Fagen Tuskrathin benommen oder wie töricht sich Effrek Gentarfo, der Präses-Wissenschaftler, bei seinen Annäherungsversuchen an einige Frauen verhalten hatte. Sie waren noch nicht einmal halb so alt gewesen wie er, und sie konnten mit ihm herzlich wenig anfangen. Das aber wollte er nicht einsehen, und unter dem Einfluss seines Rausches präsentierte er sich in einer Weise, die Faer Rinkadon schrill auflachen ließ. Das Lachen verging ihr allerdings. augenblicklich, als sie selbst ins Bild kam. Sie fürchtete, dass sie sich in ähnlicher Weise lächerlich gemacht hatte wie der Präses. Immerhin konnte sie aufatmen, denn die Kamera verweilte nicht lange bei ihr. So konnte sich die Kommandantin lediglich sehen, wie sie dumpf brütend auf ihrem Platz saß und unter dem Einfluss der Rauschmittel buchstäblich nichts von ihrer Umgebung wahrnahm. Als der Mann im Bild erschien, der später ermordet werden sollte, hielt sie den Film an,
Weitere Kostenlose Bücher